Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
abschließend, warf die Decke zurück und machte weiter damit, sich was fürs Abendessen zu filetieren.
     
    Es dämmerte, als ich in den Bus nach Kettwig stieg, und es dämmerte immer noch, als ich in Kettwig nach nicht mehr als vierzig Minuten Wartezeit in den Bus nach Hösel wechselte. Nein, das Ticket aus dem ersten Bus galt hier nichts, ich musste ein neues lösen. Die jeweils geforderten Summen zogen mir buchstäblich die Taschen auf links.
    Na, tröstete ich mich, immer noch billiger als der Kauf eines Neuwagens. Wenn auch nicht viel.
    Ein Detektiv ohne Räder ist nicht viel mehr als ein weiterer arbeitsloser Fußgänger. Und da mein letzter Kunde mich um die Mittel beschissen hatte, Ersatz für den Toyota zu beschaffen, musste ich mir anders behelfen.
    Das Schlüsselbrett hatte ich zu Hause gelassen, doch die Schlüssel als solche klimperten munter in meinen Jackentaschen.
    Die Dämmerung hatte zufriedenstellende Werte von Dämmrigkeit erreicht, als ich in Hösel als einziger Fahrgast an einer Haltestelle im Wald ausstieg.
    Von hier aus war es nicht mehr weit bis zum »Rittergut dero von und zu Scheydt«.
    Ich ließ mir Zeit.
    Der Mann hieß in aller Schlichtheit Wolfgang Vonscheidt. Ehemals Waschstraße Vonscheidt. Ehemals Autoglas Vonscheidt. Und sein angebliches Rittergut war nicht viel mehr als ein vordergründig auf schick renovierter Bauernhof. Irgendwie muss der gute Wolfgang wohl zu der Überzeugung gelangt sein, als Ritter Wolf von der Scheydt eine Art Seriositätszuschlag für seine Handelsware verlangen zu können. Wobei es sich in erster Linie um Gebrauchtwagen mit enormer Diskrepanz zwischen Markt- und Nutzwert handelte. Zumeist also flache, übermotorisierte Zweisitzer, die er kunstvoll rings um seinen Hof drapierte. Jedes Fahrzeug vor seinem eigenen fotogenen Hintergrund, alles ganz nett, sofern man eine Schwäche für Landadelkitsch hat.
    Ich hatte schon mal einen Haufen Geld abschreiben müssen im Zusammenhang mit Wolfgang Vonscheidt. Das war noch zu seiner Autoglaszeit gewesen. Einer großen Versicherung war eine auffällige Häufung von zerdepperten Windschutzscheiben in direkter Nachbarschaft entweder der Vonscheidtschen Autoglaswerkstatt oder aber in Sichtweites eines ihrer zahlreichen Werbeträger suspekt vorgekommen. Ich war es, der seinerzeit die als »Vonscheidts kleine Scheißer« zu einiger Berühmtheit gelangte, BMX-Rad fahrende und Pflastersteine schmeißende Bande observiert, fotografiert und zumindest zum Teil identifiziert hatte. Was weder mir noch Menden hatte gelingen wollen, war, auch nur eine der strafunmündigen Rotznasen zur Aussage gegen ihren Auftraggeber zu bewegen. Damit versandete auch die Klage des Versicherers und mit ihr zusammen meine Prämie. Trotzdem nahm Menden die Schlappe persönlicher als ich, und letztendlich war es wohl der Hartnäckigkeit des – damals noch – Kommissars zu verdanken, dass Vonscheidt das Autoglasgeschäft aufgeben und mit einem neuen Gewerbe hierhin nach Hösel umziehen musste.
    Die Gebäude als solche lagen eine stattliche Distanz von der Landstraße zurück, und schon bei meinen beiden vorherigen Besuchen war mir aufgefallen, wie wohldurchdacht es gewesen war, die baumbestandene Anfahrt sowie den ganzen Hofbereich mit lauthals knirschendem Kies auszustreuen. Jetzt, bei meinem dritten Besuch, merkte ich obendrein, wie still es hier nachts wurde.
    Hm, hm, hm.
    Ich fühlte die Schlüssel in meiner Tasche. Lamborghini, Porsche, Lotus, TVR, Ferrari, um nur einige zu nennen. Die Versuchung war enorm, doch die realen Widerstände waren kaum zu überwinden: Der alarmierend laute Kies. Der Schlagbaum quer über die Hofeinfahrt. Dazu die höchst wahrscheinliche Anwesenheit des einen oder anderen Grobians, instruiert, einem gewissen Kryszinski erst die Schlüssel abzunehmen und ihm dann den Kiefer zu brechen oder umgekehrt. Und schließlich die Abwesenheit von Zulassung und somit auch Kennzeichen bei all diesen provokant platzierten Schätzchen. Und obwohl man nur den Schlagbaum knacken und dann schnell sein musste und es auch beileibe kein großer Akt ist, sich ein paar Nummernschilder zu pflücken, so möchte man trotzdem anschließend nicht von den Bullen angehalten werden mit dem ganzen Paket. Nicht als Vorbestrafter, nicht als Privatdetektiv und nicht mit einem Lappen, der an einem dermaßen dünnen Fädchen hing wie der meine.
    Mein Vorhaben sollte ja auch eigentlich gar keinen Diebstahl beinhalten. Es ging mehr um nicht abgesprochene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher