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Bis dein Zorn sich legt

Bis dein Zorn sich legt

Titel: Bis dein Zorn sich legt
Autoren: Åsa Larsson
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Wasseroberfläche. Etwas Großes. Schwarzes.
    Ein sumpfiger Baumstamm vielleicht, dachte er.
    So etwas trieb heutzutage nicht mehr oft im Wasser herum. In seiner Kindheit, als noch Holz den Fluss hinabgeflößt worden war, war das häufiger vorgekommen.
    Er steckte die Hand in das eiskalte Wasser, um den Baumstamm weiterzuschieben. Der schien am Steg festzuhängen. Und es war kein Stamm. Es fühlte sich an wie Gummi oder etwas Ähnliches.
    »Also was um alles in …«, sagte er und stellte den Eimer beiseite.
    Er griff mit beiden Händen zu, versuchte, den Gegenstand zu fassen zu bekommen, aber seine Hände wurden im kalten Wasser taub. Dann bekam er ihren Arm zu fassen. Zog daran.
    Ein Arm, dachte er träge.
    Sein Kopf wollte nicht verstehen.
    Ein Arm.
    Dann tauchte ihr zerschundenes Gesicht im Wasserloch auf.
    Er schrie auf und erhob sich eilig.
    Im Wald antwortete ihm ein Rabe. Dessen Ruf zerfetzte die Stille. Ein paar andere Krähenvögel fielen ein.
    Er rannte auf seine Hütte zu, glitt auf dem Eis aus, konnte sich aber auf den Beinen halten.
    Er wählte eins eins zwo. Aber dann fiel ihm ein, dass er zum Abendessen drei Glas Wasser getrunken hatte. Und nach dem Essen hatte er Kaffee getrunken. Das Wasser hatte er aus dem Fluss geholt. Aus dem Loch im Eis. Und dort hatte der Leichnam gelegen. Sicher genau daneben. Dieses weiße zerschundene Gesicht. Die weggeschlissene Nase. Zähne in einem lippenlosen Mund.
    Jetzt meldete sich jemand, aber er drückte das Gespräch weg und erbrach sich da und dort. Sein Körper warf alles aus, was er hatte, und machte noch eine ganze Weile weiter, als schon nichts mehr darin war.
    Dann wählte er noch einmal eins eins zwo.
    Nie wieder sollte er Wasser aus dem Fluss trinken. Und es sollte Jahre dauern, bis er nach der Sauna auch nur einen Schwimmzug machte.

ICH SEHE DEN Mann an, der mich gefunden hat. Er kotzt in den Neuschnee. Er wählt eins eins zwo und denkt, dass er nie wieder Wasser aus dem Fluss trinken wird.
    Ich denke an den Tag, an dem ich gestorben bin.
    Wir waren tot, Simon und ich. Ich stand auf dem Eis. Es war Abend. Die Sonne stand jetzt tiefer. Die Tür schwamm in Stücke zerschlagen im Eisloch. Ich sah, dass sie auf einer Seite grün, auf der anderen schwarz war.
    Hinten am Ufer stand ein Mann und wühlte in unseren Rucksäcken.
    Ein Rabe kam angeflogen. Er stieß seinen typischen Schrei aus, der klingt, als ob man mit einem Stock gegen eine leere Öltonne schlägt. Und landete dicht neben mir auf dem Eis. Drehte den Kopf von mir weg und sah mich auf Vogelart an. Von der Seite.
    Ich muss nach Hause zu Anni, dachte ich.
    Und ehe ich diesen Gedanken fertig gedacht hatte, war ich zu Hause, in Annis Haus.
    Von dem Ortswechsel wurde mir schwindlig. Es war, wie von einem Karussell zu steigen.
    Jetzt habe ich mich daran gewöhnt.
    Anni rührte einen Pfannkuchenteig an. Saß auf dem Stuhl am Küchentisch und rührte mit dem Schneebesen.
    Ich liebe Pfannkuchen.
    Sie wusste nicht, dass ich tot war. Sie rührte und dachte an mich. Sie freute sich darauf, dass ich am Küchentisch sitzen und mit tüchtigem Appetit essen würde, während sie am Herd saß und die Pfannkuchen buk. Sie bedeckte die Teigschüssel mit einem Teller und stellte ihn zum Gehen auf die Seite. Ich kam nie zurück. Der Teig landete im Kühlschrank. Sie konnte ihn nicht verkommen lassen, buk am Ende doch die Pfannkuchen und fror sie ein. Sie liegen noch immer in der Tiefkühltruhe.
    Jetzt bin ich gefunden worden. Jetzt darf sie weinen.

SCHNEE, DACHTE BEZIRKSSTAATSANWÄLTIN Rebecka Martinsson mit einem wohligen Schauer, als sie auf dem Hof in Kurravaara aus dem Auto stieg.
    Es war sieben Uhr abends. Die Schneewolken am Himmel hüllten den Ort Kurravaara in ein behagliches Dunkel. Rebecka konnte kaum die Lichter der benachbarten Höfe erkennen. Und der Schnee fiel nicht. Nein, er stürzte herab. Trockene, weiche kalte Flocken kamen aus dem Himmel gerast, als ob sie dort oben jemand beim Putzen hinunterfegte.
    Oma, natürlich, dachte Rebecka schmunzelnd. Bestimmt scheuert die den Boden unseres Herrn, fegt und ist immer am Werk. Ihn selbst hat sie sicher auf die Vortreppe verbannt.
    Das graue Eternithaus der Großmutter versteckte sich im Dunkeln. Es schien ein Nickerchen machen zu wollen. Nur die Lampe über der grün gestrichenen Treppe sagte leise: Willkommen daheim, Mädel.
    Ihr Telefon piepste. Sie zog es aus der Tasche. SMS von Måns:
    »Scheißregen in Stockholm«, stand dort. »Bett leer + öde. Komm
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