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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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lässt.
    Irgendwann stand er dann bewegungslos zwischen den Bücherinseln, wie der kleine Pierre-Luca, den seine Eltern im Småland bei Ikea vergessen haben. Hilflos aussehen konnte Paul prima.
    »MüssenSie kochen lernen?«, fragte ihn plötzlich eine Verkäuferin, deren Dutt so fest gebunden war, dass sie sich das Facelifting sparen konnte.
    Paul nickte.
    »Nehmen Sie das, da machen Sie nichts falsch mit.«
    Er erwartete das Kochbuch zur »Sendung mit der Maus«, aber es war das Studenten-Kochbuch: Einfach, schnell und preiswert .
    »Kochen lernen ist wie Schwimmen lernen«, zitierte sie den Klappentext. »Nach dem Sprung ins kalte Wasser folgt der Genuss.«
    »Ich kann nicht schwimmen«, sagte Paul wahrheitsgemäß.
    »Dafür hätte ich auch ein Buch!«
    Die Verkäuferin war unglaublich energiegeladen. Lag sicher an ihrer gesunden Ernährung.
    »Nein, danke. Und das ist wirklich für Dumme?«
    »Das ist für Anfänger.«
    »Ich bin ein dummer Anfänger!«
    Sie tätschelte ihm mütterlich die Hand: »Vertrauen Sie mir. Ich kenne Männer in Ihrer Situation. Übrigens sehen Sie gar nicht gut aus, Sie sollten mal zum Arzt gehen.«
    »Ich habe Skorbut.«
    So ein Satz beendete jede Diskussion. Dafür war Skorbut super. Vergleichbar mit Pest, Cholera und Schweißfüßen. Die Verkäuferin sah ihn eindringlich an.
    »Da hab ich genau das richtige Buch für Sie!«
    Und tatsächlich, sie hatte es.
    Paul brachte die Bücher heil nach Hause und fand ein schönes, warmes Plätzchen für sie. Neben den DVD s und seiner Altersvorsorge: der Schlumpfsammlung. Absolutes Highlight war »Papaschlumpf in Hängematte«. Ein seltenes Fehlexemplar vom Februar 1983 . Die Figur selbst war rot, Mütze und Hose aber blau. Paulhoffte, eines Tages mit ihr das Studium seiner Kinder finanzieren zu können. Dem jetzigen Stand nach zu urteilen, musste er die kleinen Bälger aber wohl wie Angelina Jolie aus dem Urlaub mitbringen.
    Erst spät bemerkte Paul, dass er nicht allein in seiner Dachgeschoss-Wohnung war.
    Eigentlich war er das natürlich nie. Die Fische waren schließlich da. Und Freddy, seine Geierschildkröte. Benannt nach Freddy Krüger, dem Horror-Schlitzer aus Nightmare On Elm Street. Freddy hatte nämlich etwas äußerst Verschlagenes. Paul vermutete schon länger, dass die hohe Selbstmordrate seiner Goldfische mit ihm zusammenhing.
    Aber es war nicht Freddy, den er im Wohnzimmer bemerkte, es war Andy. Manche hielten auch ihn für ein Tier. Wegen der Geräusche, die er manchmal von sich gab. Er klang wie Darth Vader im Stimmbruch. Andy wusste selber nicht, wie er das machte.
    Paul hatte ihm in einem schwachen Moment einen Wohnungsschlüssel gegeben – und es nie übers Herz gebracht, ihn zurückzuverlangen. Jetzt lümmelte sich Andy auf dem durchgelegenen Bettsofa, wie immer mit einem Heavy-Metal-T-Shirt, auf dem ein vielzahniges Monster eine Bikini-Schönheit verspeiste. Sah nach einem Proteinsnack aus. Andy daddelte auf Pauls Nintendo Super Mario  – er selbst wusste noch nicht, welche Spielkonsole am besten zu seinem Typ passte. Seit zwei Jahren. So eine wichtige Entscheidung durfte man schließlich nicht übers Knie brechen!
    »Na, du Held. Willst du wissen, wie mein Tag war?«, fragte Paul.
    »Nö.«
    »Dann erkundige ich mich eben selbst: Und, Paul? Wie lief’s heute? – Danke für die Nachfrage! Lass mich einen Moment überlegen … Auf dem Weg zur Arbeit hab ich einen Wagen gesehen, derals Kennzeichen die sehr seltene Nummernfolge 4711 hatte, und zwei Karren, bei denen der TÜV seit Monaten abgelaufen ist.«
    »Wow.«
    »Und einen SUV ohne AU .«
    »Echt jetzt?« Andy schaute überhaupt nicht auf. Er hatte gerade einen Powerup aktiviert und einen Super-Pilz gegessen. Sein Endgegner warf einen Feuerball. Natürlich mit der Schwanzspitze. Doch es sah gut aus für Andy. Vielleicht würde er Prinzessin Peach heute endlich befreien.
    Sie würde sich bestimmt wie verrückt freuen, ihn kennenzulernen.
    »Und ich habe Skorbut.«
    »Cool.«
    »Cool?«
    »Hast du mir auch was mitgebracht? Ich esse doch so gerne Fisch.«
    Paul brauchte einige Zeit, um Andy klarzumachen, dass Skorbut nicht im offenen Meer schwamm. Dann holte er sich etwas zu trinken und setzte sich zu ihm aufs Bettsofa.
    »Weißt du noch, was wir uns an deinem Zwanzigsten geschworen haben?«
    »Dass wir mal gemeinsam ins All fliegen! Suchen die von der kasachischen Weltraumbehörde in Baikonur wieder wen?«
    »Nein, wir haben geschworen, dass wir zusammenziehen und
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