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Biker's Barbecue (German Edition)

Biker's Barbecue (German Edition)

Titel: Biker's Barbecue (German Edition)
Autoren: Stefan Micke , Tobias Micke
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nicht gäbe, müsste man es erfinden.“ Wir wissen es besser: Es gibt Amerika wirklich. Das ist uns gleich am Flughafen in New York aufgefallen …
    Unser neuer Atlas enthält keine Steigungs- und Gefälleangaben. (Wer braucht die schon?!) Und der Übersicht halber hat Rand McNally kleinere Straßen und Dörfer einfach weggelassen. Manchmal werden wir deshalb unterwegs glauben, wir hätten diese Ortschaften entdeckt.
    Tobi fragt sich, was wohl all die Leute gerade machen, die wir im Laufe der drei Monate treffen werden. Gute Frage. Für mich existieren diese Leute noch nicht. Genauso wenig, wie dieses Land existiert. Es ist völlig fiktiv, eine Erfindung meiner Phantasie. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es die Menschen, denen wir begegnen, auch dann noch geben wird, wenn wir wieder fort sind.
    Es wird tatsächlich eine Art Entdeckungsreise sein: eine Entdeckungsreise quer durch Nordamerika, aber auch eine in uns selbst. Eine, die jeder anders erlebt, der sie wagt. Wir werden Orte und Menschen entdecken, von denen angeblich jeder wusste und die doch keiner sah. Unsere Mission ist friedlich: Wir wollen die Spuren der ersten Siedler streifen und der Erosion durch dahinhechelnde, motorisierte Touristen den Rücken kehren. Selbst wollen wir keine Spuren hinterlassen. Sehen und erleben, nicht verbrauchen und zerstören, geschweige denn irgendetwas oder irgendjemanden erobern. – Eine innige Beziehung eingehen wie der Regenwurm mit der Grasnarbe? Ja. Über dieses Land herfallen wie Bulldozer über einen Porzellanladen? Nein. – Amerika neu und nur für uns öffnen. Behutsam und ganz allmählich, Tritt für Tritt sozusagen.

    Greyhound & Bourbon

    Wir sind fett geworden in New York: Ganze vier Tage waren wir hier. Viel zu lange. Der nächste Ort, an dem wir so lange ausharren wollen, ist weit weg. Es wird San Francisco sein. Hoffentlich.
    Am Nachmittag kaufen wir Bustickets nach Boston: Abfahrt 2.30 Uhr früh, Ankunft gegen sieben. Es geht los. Wir verstauen unser bisheriges Leben in einem Pappkarton. Taschen oder womöglich Koffer sind jetzt fehl am Platz. Minimalismus ist angesagt. Alles, was wir von hier aus mitnehmen, müssen wir die nächsten Monate mitschleppen; mehr als 6000 Kilometer weit und über die Rocky Mountains. Alles andere wird lange vor uns in Kalifornien sein: im Koffer, den wir von hier an die Westküste verschicken.
    Alles, was ich in den Koffer lege, wird noch einmal genau begutachtet. Die Laufschuhe, die wir für den Central Park mitgenommen hatten, und die Reserve-Jeans haben’s gut. Sie müssen die Tortur nicht mitmachen. In drei Monaten sehen wir uns (hoffentlich) wieder – am anderen Ozean …
    Einpacken, Karton zukleben, wegtragen. Sehr einfach. Nur wir sind noch nicht ganz so weit. Aber darauf kann jetzt wirklich keiner mehr Rücksicht nehmen. Die Zeit bis zur Abfahrt schiebt uns vor sich her. Noch ein Plastikbeutel fürs Handgepäck. Eine Flasche Tennessee Sour Mash Whiskey kommt auch hinein. Für unterwegs, wir haben ja was zu feiern – und eine behütete Vergangenheit, die wir bis Boston am besten vergessen haben sollten.
    Am Abend genießen wir noch ein letztes Mal New York City: Flashdancers, ein Nachtklub am Broadway. Die ultimative Ablenkung vor dem Takeoff. – Ach, ein letztes Mal nackte Frauen sehen. Wer weiß, ob’s die weiter im Westen auch noch gibt.
    Weil sich Tobi nicht von der Mitternachtseinlage „Die größten Titten der Welt“ losreißen kann, stimmt unser Zeitplan nicht mehr.
    Im Dauerlauf geht’s mit dem unhandlichen Karton zur U-Bahn. Dann warten wir zwanzig Minuten auf den Zug. Umsteigen müssen wir auch noch zweimal bis zum Busbahnhof „Port Authority“. Und der Greyhound legt in einer halben Stunde ab. Will sie uns am Ende gar nicht haben, unsere Abenteuerreise? Das wird verdammt knapp.
    Bei der ersten Gelegenheit disponieren wir um. Im Taxi geht’s direkt zum Busbahnhof. Wir verlieren wertvolle Dollars, gewinnen dafür wertvolle Zeit. Trotzdem laufen wir durch die Wartehalle zu Gate 13. Sicher ist sicher. Cool sein ist jetzt nicht angesagt.
    Stefan brüllt laut und vernehmlich „Scheiße!“ hinter mir. Ich drehe mich nicht um, laufe weiter. Sicher ist ihm der Schuh aufgegangen oder die Nase läuft. Man kennt das ja bei ihm.
    Wenige Schritte vor der Rolltreppe reißt der Griff von meinem Plastikbeutel. Der Sack kracht klirrend auf den Marmorboden. Als ich ihn aufhebe, fließt aus einem Dutzend kleiner Löcher bernsteinfarbener Bourbon.
    Als Stefan
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