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Bienensterben: Roman (German Edition)

Bienensterben: Roman (German Edition)

Titel: Bienensterben: Roman (German Edition)
Autoren: Lisa O'Donnell
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Tränen bitte. Spiel einfach nur irgendetwas Nettes.«
    Sie will zwar nicht, aber sie muss und spielt ein bisschen Bach, aber er findet es furchtbar und sagt ihr, sie soll doch was Religiöseres wählen, also spielt sie »Amazing Grace«, so gut sie kann. Er ist den Tränen nahe, und ich merke, dass er gern trauert. Hier an diesem Ort kann er für Izzy wirklich ein Vater sein, er braucht ja nur mit Blumen und Bindfaden dort aufzukreuzen, und wenn die Leute vorbeigehen und ihn da am Grab herumgärtnern sehen, erkennen sie keinen Unterschied. Sie werden einen kurzen Blick auf das Grab werfen und Mitleid mit einem Mann haben, der seine Tochter drei Mal verloren hat, aber das brauchen sie echt nicht.

Nelly
    Wir schleichen uns ganz langsam die Treppen hinunter und stehlen uns durch das Wohnzimmer zur Haustür. Zum Glück knarrt die Treppe nicht, deshalb bleiben uns die überlauten Geräusche erspart, die man sich beim Gedanken an eine Flucht so ausmalt. Das einzige wirkliche Geräusch verursacht der Regen draußen, er prasselt richtig gegen die Scheiben. Ich bin in positivem Aufruhr.
    Da es eisig kalt ist im Wohnzimmer, habe ich plötzlich Sorge, ich könnte vielleicht doch zu wenig zum Anziehen eingepackt haben. Ich beschließe, dass Marnie recht gehabt hat, und stelle die Cola und die Cornflakes wieder in die Küche, denn ich brauche mindestens noch eine Jeans und einige Oberteile. Ich mache mich noch einmal auf den Weg in mein Zimmer.
    »Hast du sie noch alle, wo willst du denn hin?«, flüstert Marnie.
    »Ich bin sofort wieder da«, sage ich zu ihr, gehe in mein Zimmer und packe meine Tasche mit angemessenerer Kleidung. Ich gehe wieder zurück nach unten, wo mich eine zornige Marnie erwartet.
    »Kommst du jetzt mit mir oder nicht?«, fragt sie.
    »Aber natürlich«, sage ich.
    Unsere Flucht ist zum Greifen nah, und während wir uns auf leisen Sohlen unserem Traum nähern, scheint es mir unmöglich, dass er jenseits dieser geschlossenen Tür liegt, die Straße hinab und dann am Ende einer Busfahrt und schließlich einer Zugreise. Es fühlt sich einfach zu simpel an, und ich spüre, wie mich Beklommenheit erfüllt.

Marnie
    Der Schlüssel steckt, ich greife hektisch danach und drücke wie eine Wilde gegen die Tür. Sie geht auf und wir sind frei, oder zumindest wären wir es, wenn ich nicht mit Robert T. Macdonald zusammenstoßen würde, der sich wie ein Amboss auf der Türschwelle postiert hat. Er stößt mich zurück. Ich stolpere und falle hin. Nelly kommt zu mir gerannt, und er knallt die Tür zu. Das ganze Zimmer wackelt.
    Er zerrt mich hoch und schubst mich auf einen Stuhl, der gerade da steht. Nelly braucht nicht geschubst zu werden, sie sucht sich von selbst einen Stuhl.
    »Ihr haltet mich wohl für einen Idioten, was?« Er sieht mich an.
    Wir schütteln die Köpfe. Wir haben Angst.
    »Denkt ihr, ich hätte nichts mitgekriegt? Von der Tasche mit dem Geld?«
    Ich werde ganz blass.
    »Wir sprechen uns noch, Fräulein Marnie. Wir sprechen uns noch«, flüstert er.
    »Und was ist mit dir, Nelly, hm? Hast du gedacht, ich wäre blöd?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Geh hoch in dein Zimmer«, schnauzt er sie an. Sie will nicht.
    »Wirst du jetzt wohl in dein verdammtes Zimmer gehen!«, brüllt er. Sie rennt los.
    Ich sitze stumm da und warte gespannt auf seine Strafpredigt, aber er greift nicht zur Bibel, nein, diesmal nicht, sondern krempelt die Ärmel hoch und zieht sie über die Ellbogen. Dann lässt er die Knöchel knacken und kommt ein Stück näher auf meinen Stuhl zu. Er packt mich am Kragen, spannt den Arm wie ein Gummiband und will mir die Faust ins Gesicht rammen, und wenn nicht auf einmal Mick hinter ihm stehen und ihm eine Pistole an den Hinterkopf halten würde, hätte er genau das getan.

Nelly
    Ich sitze auf dem oberen Treppenabsatz und denke, jetzt schlägt es dreizehn: Auf einmal steht der Eisverkäufer im Wohnzimmer, noch dazu mit einer Waffe! Zum Glück zielt er damit geradewegs auf Robert T. Macdonald, und ich muss schon sagen, mir fällt ein Stein vom Herzen.
    »Los, hilf mir mal mit ihm«, fordert er Marnie auf. Sie tut es nur zu gern.
    »Was soll ich machen?«, fragt Marnie.
    »Hier, bind ihn damit fest.« Er wirft ihr ein Seil zu.
    Es muss ein Gefühl von Macht sein, Robert T. Macdonald zu fesseln, noch dazu, während ihm ein Eisverkäufer eine Waffe vors Gesicht hält. Sie muss regelrecht elektrisiert sein. Ich bin es jedenfalls, so viel steht fest. Auf einmal kommt Marnie mit einer Rolle
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