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Bienensterben: Roman (German Edition)

Bienensterben: Roman (German Edition)

Titel: Bienensterben: Roman (German Edition)
Autoren: Lisa O'Donnell
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müde, Marnie. Ich bin so müde. Ich möchte nicht weglaufen.«
    Dann hat sie angefangen zu weinen. Ich hab ihr den Arm um die Schulter gelegt.
    »Aber du hast doch eine Familie. Ich bin deine Familie.«
    »Ich dachte, das hättest du vergessen«, sagt sie.
    »Ich lass nicht zu, dass dir was passiert. Das schwör ich. Eher bring ich ihn um.«
    Das will sie dann doch nicht hören.
    »Hoffen wir, dass das nicht nötig sein wird.«
    Das hoffe ich auch, aber irgendwie auch nicht.

Nelly
    Sie hat nichts weiter als einen Schlüsselbund. Also wirklich, das ist einfach töricht. Wie sollen wir denn ohne Geld überleben? Ich glaube, Marnie hat keinen Pfifferling über all das nachgedacht. Aus genau diesem Grund habe ich den Schlüssel bisher zurückgehalten, denn es gibt vieles in unserem Leben, was Marnie nicht recht durchdacht hat. Was wir deshalb schon alles Schmerzliches durchleiden mussten, ach je, es ist unfassbar.
    Ich frage mich, ob ich ohne die Schule und ohne Bibliotheken leben kann. Ich frage mich, was ich wohl mitnehmen kann. Was ich am Leib trage, sagt sie. Ob es dort wohl Cola und Cornflakes gibt? Man benötigt ja so vieles, vor allem, wenn man sich eine neue Umgebung zu eigen macht. Ich liebe das Cottage wirklich, aber erwartet sie etwa, dass wir uns von Fisch und Gras ernähren? In einem Monat wird sie sechzehn, und sie versichert mir, dass uns dann alle Türen offen stehen.
    »Dann kann ich ganz offiziell die Verantwortung für uns beide übernehmen. Alles wird gut, Nelly«, sagt sie. »Vertrau mir.«
    Niemand darf wissen, wo wir uns aufhalten, nicht einmal Kim.
    »Aber halt den Mund, hast du mich verstanden? Es darf absolut niemand irgendwas wissen!«
    Ich kann mir nicht vorstellen, was sie wohl glaubt, mit wem ich reden könnte, schließlich habe ich keine nennenswerten Freunde. Ich habe nur Marnie.

Marnie
    Heute Morgen heimlich mit Kim zusammen eine geraucht, es war für eine lange Zeit unsere Letzte.
    »Du musst ja echt durchdrehen bei dem Spinner«, sagt sie.
    »Ich dreh ja auch durch«, sag ich.
    »Also, ich würd das nicht aushalten, ich hab echt Respekt, dass du das kannst.«
    Kann ich aber nicht, Kim, würd ich am liebsten sagen. Ich hau ab und komm eine ganze Weile nicht zurück, und du wirst mir fehlen wie Sau, du durchgeknallte Bitch.
    Aber ich halt den Mund und trete mit der Schuhspitze meine Zigarette aus, wie so eine Art Tanz. Kim macht dasselbe, dann verabschieden wir uns. Am liebsten würd ich sie noch mal an mich ziehen und drücken, ihr sagen, dass ich sie lieb hab, aber ich kann nicht. Es wär sinnlos und außerdem wüsste sie dann, dass irgendwas im Busch ist. Ich bring sie noch zur Bushaltestelle, überleg ich mir, dann komm ich zwar zu spät, wenn Robert T. Macdonald uns abholt, aber das ist mir egal. Als Kim in den Bus steigt, zieht sie durch das Fenster eine Fratze und ich zeig ihr den Stinkefinger. Das ist unser Abschied. Kim leckt an der Busscheibe und ich bepiss mich fast vor Lachen.
    Später schleich ich mich hinten ins Theater rein, wo Susie in dem Schulstück singt. Ich achte drauf, dass mich keiner sieht, vor allem Susie nicht. Ich guck mir nicht das ganze Stück an; ich will nur sie sehen und noch einmal singen hören. Ein Lied von ihr hab ich verdient, auch wenn’s nicht für mich ist.

Nelly
    Einen Plan gab es nicht, wir würden einfach nachts fliehen und in einen Bus nach Inverness steigen. Den Hund würden wir mitnehmen. Marnie zögerte zuerst, räumte dann aber ein, dass es Lennies letzter Wunsch gewesen wäre, dass Bobby bei seinen Mädchen und nicht bei einem tollwütigen Verrückten mit einer Schwäche für Whisky bleibt (Marnie zufolge ohne Glas).
    Ich bekam nicht viel in meinen Rucksack. Wir durften kein allzu großes Gepäck mitnehmen, damit es unter unser Bett passte. Leider war im Rucksack wirklich kaum Platz, und obwohl es mir gelungen war, eine Schachtel Cornflakes und etwas Unterwäsche hineinzuquetschen (und noch einige Dosen Cola), wurde Marnie fuchsteufelswild. Nur das Nötigste, habe sie gesagt, aber ich hielt mir die Ohren zu und schüttelte den Kopf, und da sie mich wohl nicht weiter beunruhigen wollte, erlaubte sie mir, meine Nahrungsmittel mitzunehmen, allerdings redete sie den Rest des Tages kein Wort mit mir und beklagte sich, dass sie nun zusätzliche Sachen für mich in ihrer Tasche mitnehmen müsse. Was sie jedoch nicht wusste: Ich trug fünf T-Shirts und zwei Pullover. Mir war glühend heiß.

Marnie
    Jetzt also wieder dieses kranke Gequassel.
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