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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
Autoren: Asta Scheib
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Einer sah sie triumphierend an: »Wir haben ihn laufenlassen, den Jud. Großzügig wie wir nun mal sind. Stimmt’s oder haben wir recht?« Sie lachten selbstgefällig.
    Therese und Sybille versuchten gleichgültig auszusehen,nur weg wollten sie, weg. Sie nickten, um die Uniformierten nicht gegen sich aufzubringen. Jetzt hörten sie aus einiger Entfernung wüstes Geschrei, Krachen und Splittern und Johlen. Rasch bogen Therese und Sybille in die Sparkassenstraße ein. Sie hörten Rufe: »Nieder mit der Judensau.« Andere Leute riefen nach der Polizei. »Heil Hitler«, schrien die SA-Leute und rannten zufrieden und voller Erwartung den Zivilisten hinterher.
    Es war dunkel geworden. Therese und Sybille beeilten sich heimzukommen. Sie konnten nicht reden, doch jede wußte, was die andere dachte. Therese sah, daß auch Sybille schluckte, daß ihnen beiden das Weinen nah war. Im warmen gelben Licht der Gaslaternen gingen sie nun die Maximilianstraße hinunter, rasch, hastig, als erwarteten sie den Augenblick, wo auch sie in ihrem Jüdischsein entdeckt und vom Gehsteig auf die Straße gestoßen würden.
    Sie gingen heim. Im Herzogpark waren sie zu Hause. Nur – wie lange noch. Aus einem Wirtshaus hörten sie grölende Männerstimmen. Dazwischen immer wieder ein scharfes, lautes »Sieg Heil, Heil Hitler«. Die Vorstellung, daß diese singenden Männer jetzt auf die Straße kommen könnten, trieb Therese und Sybille zu noch größerer Eile an. Es schien Therese, als wären die Menschen nur noch eine bedrohliche, von Uniformierten gesteuerte, Heil Hitler rufende Masse, die sich langsam in Bewegung setzte, langsam, aber stetig auf Therese und ihre Familie zuwalzte, um sie schließlich zu überrollen.

 
    Doch es gab Anni. Anni machte es nicht einen Tag, nicht einmal eine Minute lang Konflikte, daß der Zufall ihrer Geburt die Familie Suttner zu Juden gemacht hatte, daß sie durch die Machtergreifung Hitlers Verfemte wurden. Aussätzige, ein lebensgefährlicher Umgang. Auch für Anni.
    Von Anfang an war Anni bei Therese gewesen. Jedenfalls schien das Therese so. In Wahrheit war Therese schon fast fünf, als die sechzehnjährige Anna-Maria Lechner aus Steinbach im Isarwinkel ins Haus der Familie Suttner nach München kam. Thereses Schwester Sybille war geboren, und Anni sollte Mutter bei der Pflege des Säuglings unterstützen. Doch schon nach drei Tagen gehörte Anni für immer Therese. Jedenfalls stand sie ihr näher als dem Vater oder der Mutter, denen sie mit frisch gebürstetem Haar und sauberen Kleidern zugeführt wurde. Therese aß zwar gemeinsam mit den Eltern, doch schon den Nachtisch durfte sie bei Anni in der Küche einnehmen. Meist hatten die Eltern Gäste, und Therese war ohnehin überflüssig. Auch an den Gesellschaftsabenden der Eltern, an denen sogar manchmal das in der ganzen Stadt berühmte und begehrte Ehepaar Thomas Mann teilnahm, war Therese jedesmal erleichtert, wenn sie nicht mehr beim Musizieren und Rezitieren stillsitzen mußte. Therese fand, daß sie zu Anni und in die Küche viel besser paßte als zu ihren gebildeten Eltern. Ihrer Schulfreundin Delia Rosental ging es genauso. Ihr Vater war Opernsänger, ihre Mutter eine bekannte Pianistin. Doch Delia wollte ebensowenig wie Therese Gesangsstunden nehmen oder gar Klavierunterricht. Therese und Delia hatten sich vorgenommen, niemals in gewienerten Salons bei Kerzenschein zu sitzen und sich anzuhören, wie ältere Damen Arien sangen oder Gedichte deklamierten. Therese und Delia gingen lieber, angetan mit den Hüten ihrer Mütter, in Kinovorstellungen, in denen sie als Vierzehnjährige noch nichts zu suchen hatten. Doch die Kinobesitzer, auf jeden zahlenden Kunden angewiesen, ließen sie hinein. Delia rauchte heimlich. Sie hatte das im humanistischen Domgymnasium in Freising gelernt, einer Klosterschule für Buben, die Pfarrer werden wollten. Delia war dort das einzige Mädchen gewesen, und sie war froh, als ihreEltern von Freising umzogen nach München. Im Max-Gymnasium lernten sich Therese und Delia kennen. Delia war Christin, katholisch, ihre Eltern waren getaufte Juden.
    Einmal, in einer Pause, kam ein Kind auf Delia und Therese zu und zischte: »Ihr seid Juden. Juden sind böse, sie haben Jesus Christus ans Kreuz geschlagen. Sie sind schuld, daß er gekreuzigt wurde.« Therese und Delia hatten sich betroffen angesehen, schließlich beschlossen sie, daheim nachzufragen. Therese wandte sich an Anni, aber die mochte das nicht glauben. Damit war auch für
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