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Berliner Aufklaerung - Roman

Berliner Aufklaerung - Roman

Titel: Berliner Aufklaerung - Roman
Autoren: Thea Dorn
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ihren Rock weiter über die Knie zu ziehen, begannen die Damen an ihren Teetassen zu nippen.

    »Ich habe Ihnen nicht alles gesagt.«
    Neuerliches Schweigen breitete sich im Raum aus. Während Anja es sich bequem machte, saß Frau Kloppenbrink immer noch auf ihrem Sessel, als wäre er nicht von Thonet, sondern ein Fakirbrett.
    In einem der oberen Stockwerke übte jemand Blockflöte. Auf der Straße kläffte ein Köter. Hildegard Kloppenbrink begann zu weinen. »Ich habe jemanden kennengelernt. «
    Anja gab ihr ein Taschentuch, die Arie konnte beginnen.
    »Mein Mann war über das Wochenende auf Geschäftsreise in Westdeutschland. Also bin ich am Sonntag vormittag auf diese Auktion bei ›Altus‹ gegangen, Sie wissen schon, dort, wo ich das Service ersteigert habe. Er saß schräg vor mir, ein junger Mann, vielleicht so um die dreißig. Er ist mir sofort aufgefallen, er hatte so etwas Frisches, Entschlossenes. Bei dem Tafelservice hat er das erste Gebot gemacht, ich bin dann später eingestiegen. Am Schluß haben nur noch wir beide geboten. Wie Sie bereits wissen, habe ich gewonnen. Nach der Auktion kam er zu mir und sagte, wenn ich ihn schon bei der Versteigerung übertrumpft hätte, ob ich wenigstens zulassen würde, daß er mich zum Mittagessen einlädt. Wir sind in die ›Paris Bar‹ gegangen, es war wunderbar. Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut unterhalten, er war charmant, witzig, gebildet.«
    Anja überlegte einen Augenblick, ob sie das mit der »Schon-lange-nicht-mehr-so-guten-Unterhaltung« Frau Kloppenbrink übelnehmen sollte.
    »Schließlich hat er mich mit seinem Alfa nach Hause gefahren, es war bestimmt schon spät am Nachmittag.
Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Zu mir konnte ich ihn auf keinen Fall einladen, da mein Mann am Abend zurück sein würde. Andererseits erschien es mir doch allzu verwegen, ihn zu fragen, ob wir nicht noch zu ihm fahren könnten. Wir saßen im Auto vor meiner Haustür, und ich litt wirkliche Todesqualen. Gerade als ich in meiner Verzweiflung aussteigen wollte, faßte er mich um die Schulter und ja – Frau Abakowitz, er ist so sensibel, er muß meinen Kampf gespürt haben.«
    Daran wagte Anja keine Sekunde zu zweifeln. Frau Kloppenbrink nestelte wieder an ihrem Rock herum. »Wir sind dann zu ihm gegangen, ja und dann ist es passiert.«
    »Ist es so passiert wie sonst immer mit Ihrem Mann oder anders?« Anja nahm in ihren Formulierungen Rücksicht auf die arme Kloppenbrink, die inzwischen wieder am Weinen war.
    »Nein, es war ganz anders, das ist es ja. Ich glaube, mein gesamtes Leben ist durcheinander, ich bin völlig hilflos, ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll.«
    Anja gratulierte innerlich dem Adonis, der es der gesitteten Kloppenbrink zum ersten Mal in ihrer Kultur hatte unbehaglich werden lassen. Gleichzeitig registrierte Anjas Geschäftsseele befriedigt, daß die Hingabe an einen Alfa-fahrenden, auf Auktionen herumlungernden Jungspund einen neuerlichen Therapiegrund bot. »Aber liebe Frau Kloppenbrink, das ist doch ein enormer Fortschritt. Ich bin sicher, Sie haben eine radikal neue Dimension an sich erfahren, und daß neue Dimensionen erst einmal das subjektive Gefühl der Unordnung, ja der Angst entstehen lassen, ist ganz natürlich.
Es wird einige Zeit dauern, bis Sie diesen neuen Aspekt in Ihre Persönlichkeit integriert haben, aber ich bin ja da, Ihnen dabei zu helfen – und glauben Sie mir: Die Anstrengung lohnt sich.«
    Hildegard Kloppenbrink antwortete mit einer nicht ganz eindeutigen Kopfbewegung. »Ich weiß nicht, ich glaube, vorher war mein Leben einfacher.«
    »Da haben Sie bestimmt recht, aber denken Sie denn, daß der einfachste Weg immer der beste ist? Als Sie zu mir kamen, haben Sie selbst gesagt, daß Sie es in Ihrer gewohnten Existenz nicht mehr aushalten. Es war höchste Zeit, daß in Ihre erstarrte Daseinsform neuer Antrieb gebracht wurde.«
    »Ich muß mir das alles noch einmal in Ruhe überlegen. Ich weiß nicht, ob Ihr Rat wirklich gut für mich ist.«
    Nun wurde es Anja langsam etwas unbehaglich zumute. Sie ahnte, daß sie entweder eine Kundin verlieren oder eine Kundin fürs Leben gewinnen würde. Es kam immer wieder vor, daß Frauen gewisse Erfahrungen in späteren Jahren schlechter verkrafteten als in früheren.
    Frau Kloppenbrink schneuzte lautlos. »Ich glaube, ich muß jetzt gehen, das Gespräch mit Ihnen verwirrt mich noch mehr. Ich brauche ein wenig Ruhe und Schlaf.«
    »Ich kann Sie nicht halten, Frau
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