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Berg der Goetter

Berg der Goetter

Titel: Berg der Goetter
Autoren: Alfred Bekker
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einen Mann, der behauptete, dass einzig und allein die Gesetze der Natur und der Logik das Universum regierten! Was wir höheren Wesen zuschreiben, wären nichts weiter als Phänomene, die der Mensch bisher noch nicht erklären vermocht hat. Ich glaube, dieser Mann hat recht.“
    „ Diese Stadt“, so erklärte jetzt ein gewisser Asertzu aus Rôlsur, der ein weithin angesehener und bekannter Kaufmann war und das bisherige Gespräch aufmerksam verfolgt hatte, „gestattet es jedem ihrer Bürger – so ist es Gesetz und Herr Luason wird mir da zustimmen müssen – an den Gott zu glauben, der ihm beliebt. Oder auch an mehrere gleichzeitig. Die Vielzahl der verschiedensten Tempel und Kultstätten innerhalb unserer Mauern zeigt, wie lebhaft die Palniaraker davon Gebrauch machen. Ungewöhnlich ist es hingegen, wenn man an gar nichts glaubt, so wie Ihr, Herr Lakyr.“
    Lakyr zuckte mit den Schultern.
    „ Ob ungewöhnlich oder nicht, ich denke, dass sich meine Sicht der Dinge eines Tages durchsetzen wird. Es gibt immer mehr Philosophen, die die nüchterne Erkenntnis dem Glauben an Wunder und höhere Wesen vorziehen. Es ist alles nur eine Frage der Zeit. Die Mühlen der Geschichte mahlen langsam und das zarte Pflänzchen der menschlichen Vernunft muss sich erst noch zu seiner vollen Größe entfalten.“
    „ Wir werden sehen“, brummte Sringos leise. „Wir werden sehen.“
    „ Man müsste auf den Uytrirran, den Berg der Götter, steigen. Dann würde sich schon erweisen, was an ihnen dran ist, an diesen Wesen, die angeblich unsere Welt regieren!“
    „ Dabei könntet Ihr unangenehme Dinge erleben, Freund Lakyr“, meldete sich Luason zu Wort. „Schließlich ist es den Sterblichen untersagt, den heiligen Ort zu betreten.“
    Lakyr zuckte mit den Schultern.
    „ Alles Aberglauben. Was soll schon geschehen?“
    „ Ich hoffe doch, dass Ihr das alles nur im Scherz gesagt habt!“, sagte Dlaguna-a-Luason. Lakyrs Augen blitzten lustig.
    „ Wer weiß?“

    4.

    Musiker nahmen jetzt ihre Plätze ein, stimmten die Instrumente und erfüllten den Saal anschließend mit Wohlklängen.
    Zunächst kam kunstvoll zubereiteter Schafskäse auf den Tisch, hinterher Fleisch – erst Lamm, dann Geflügel.
    Es wurde gerülpst und geschmatzt, der Wein floss in Strömen und die Stimmung lockerte sich zusehends.
    Als dann der Fisch gereicht wurde, war ein Großteil der Gäste unfähig, auch nur einen weiteren Brocken herunterzuwürgen und so mussten vorab Brechschalen und Federn gereicht werden.
    Ich hörte, wie Drasque, der Dichter, der sich inzwischen zu einer Gruppe von Damen gesellt hatte, erklärte: „Er ist eigentlich ein Banause und barbarischer Kunstverächter. Ihr habt es gesehen, meine Damen, wie wenig er die Tiefe meiner Dichtung zu schätzen wusste, wie wenig es die Kraft meiner Verse vermochte, eine Seite in ihm zum Schwingen zu bringen.“
    Es war unzweifelhaft, dass sich diese Bemerkungen auf den Gastgeber bezogen.
    „ Vielleicht muss man mit einer besonderen Ader geboren sein, um die Poesie wirklich zu verstehen und tatsächlich in das Wesen der Dinge eindringen zu können!“, schnatterte eine schrill klingende Stimme; ganz offensichtlich einzig und allein zu dem Zweck, den Dichter zu beeindrucken. Die Aufgeblasenheit und unter schönen, klingenden Worten verborgene Oberflächlichkeit und Hohlheit dieser Leute rief in mir höchstens so etwas wie Bedauern hervor, denn ich wusste, auf welch unsicherem Fuß sie im Innersten ihrer Seele standen und wie leicht ihr Glaube an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten zu erschüttern war.
    Sie waren keinesfalls die Geistesriesen, die sie vorgaben zu sein. sie waren von einer von ihnen selbst als jämmerlich empfundenen Mittelmäßigkeit, mit der sie sich allerdings keinesfalls abfinden konnten. Auf diese Weise waren sie ständig gezwungen, bei Anlässen wie diesem eine Nebelwand aus Wortgeklingel und Phrasen um sich herum aufzubauen.
    Ich denke, dass zum Leben das Lebenlassen gehört. Man kann derartige Existenzen durchaus hinnehmen und mit ihnen leben, ohne sie ständig auf ihre Kleinheit und Hohlheit hinweisen zu müssen, oder sogar seinen offenen Spott damit zu treiben – so wie es Lakyr-a-Dergons Art war. Wer will schon letztgültig entscheiden, wer tatsächlich weise ist und wer nur schön verpackte Einfalt zur Schau trägt?
    Es wird immer auch andere Sichtweisen geben, aus denen heraus sich die Dinge gänzlich anders darstellen. Wer will da den Hochmut besitzen zu behaupten,
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