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Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)

Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)

Titel: Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Autoren: Martina Kempff
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schlank und weist dichtes, drahtiges Grauhaar über einem zerfurchten, in früheren Jahren womöglich attraktiveren Gesicht auf. Allerdings keine Spur von Eleganz, wenn man mal von seiner sehr aufrechten Haltung absieht. Selbst aus ein paar Schritten Entfernung sehe ich den abgewetzten Hemdkragen unter einem ausgeleierten grauen Wollpulli. Eine blaue Skihose und Schneestiefel komplettieren eine Aufmachung, die eher den draußen tobenden Elementen Widerstand bietet, als dem lächelnden Element in meiner Gaststube entgegenkommt. Den Champagner können wir vergessen. Für ein Date hat sich dieser Herr nicht zurechtgemacht.
    »Guten Abend«, sagt er freundlich zu mir und geht langsam auf die Frau zu. Die steht lächelnd auf. Der Grauhaarige lächelt nicht. Ich kombiniere rasch: Wenn die Frau fünfzig oder sechzig ist, könnte er ihr Exmann sein. Der mit seiner beklagenswerten Gewandung ein Statement abliefert: Schau her, wie du mich nach der Scheidung ausgenommen hast! Während du dich ständig rundum erneuern lässt, kann ich mir nicht mal einen neuen Pullover leisten.
    Aber vielleicht ist die Frau erst dreißig und der Mann ihr Vater. Mit dem sich diese Dame in unserer Einödwirtschaft verabredet hat, weil sie sich mit ihm nicht in den feinen Etablissements der Großstadt sehen lassen will, die sie ansonsten frequentiert. Hier bei den bodenständigen Eifelern braucht sie keine unangenehmen Spekulationen über eine möglicherweise bescheidene Herkunft zu befürchten. Und die Grenzlage bringt es mit sich, dass Fremde hier schön anonym bleiben können.
    Ich stelle das Tablett auf dem Buffet ab, ergreife ein anderes voller Teelichter und beginne diese langsam auf den Tischen zu verteilen. Von der Begrüßung dieses ungleichen Pärchens möchte ich nichts verpassen. Was für eine Stimme mag wohl aus dieser Larve kommen? Wie sehen die Zähne hinter diesen blutrot geschminkten, formvollendeten Lippen aus?
    Doch die Frau sagt kein Wort. Immer noch lächelnd greift sie langsam in ihre offene Handtasche. Aha, kombiniere ich, das Portemonnaie. Sie wird die abgerissene Gestalt auszahlen, sich gar nicht erst lange mit diesem Mann abgeben.
    Das tut sie auch nicht.
    Sie zieht eine kleine silberne Pistole aus der Tasche, zielt auf den grauen Pullover und drückt ab. In aller Ruhe.
    Ich registriere nicht, ob der Mann schwankt oder sofort zu Boden sackt; ich starre mit offenem Mund auf die Frau. Kann doch nicht sein, dass die soeben einen Schuss abgefeuert hat. Das ist unwirklich, ungeheuerlich. Mein Hirn erfasst gar nicht, was sich da vor meinen Augen abspielt.
    Der scharfe helle Knall bleibt in der Luft hängen, hallt in meinen Ohren und im leiseren Klicken des Schnappschlosses nach. Die Frau hat die Pistole wieder in ihrer Handtasche verstaut. Jetzt geht alles ganz schnell. Sie wirft einen Geldschein auf den Tisch und eilt zur Garderobe. Ich sollte ihr ein Bein stellen, aber ich bin unfähig, mich zu rühren, bin wie in einem bösen Traum im Boden festgewurzelt. Das Tablett in meiner Hand zittert.
    »Waas …!«
    Gudruns Schrei löst mich aus meiner Erstarrung. Ich deute zur Haustür, die sperrangelweit offen steht. Mit dem Abseihsieb in der Hand sprintet Gudrun an mir vorbei. In ihrer Hast rutscht sie aus einer Birkenstocksandale, schleudert auch die andere ab und rennt in Strümpfen hinaus in den Schnee.
    Mein Herz, das soeben mit der Arbeit ausgesetzt hat, holt dies jetzt mit umso heftigerem Pochen nach. Meine Knie beben, in meinem Kopf rauscht es; mir wird schwindlig. Ich sollte mich hinsetzen, aber ich muss nach dem Opfer auf dem Boden sehen. Draußen heult ein Motor auf.
    Ich knie neben dem Mann nieder und sehe, wie sich der rote Fleck auf seinem Pullover ausbreitet. Was kann oder soll ich tun? Dem armen Kerl ist nicht mehr zu helfen. Der Schuss muss ihn mitten ins Herz getroffen haben. In seinen weit geöffneten leblosen Augen lese ich einen stummen Vorwurf.
    Zu Recht. Ich hätte heute Abend nicht vor die Tür treten und Gudrun hätte die Frau nicht ins Restaurant lassen dürfen. Dann wäre alles gut gewesen. Jedenfalls für uns.
    Ein eisiger Hauch weht durch den Raum; das Teelicht auf dem gerade verwaisten Tisch flackert und erlischt. Mit lautem Knall fällt die Haustür ins Schloss.
    Wie in Trance zerre ich, immer noch kniend, an einem Zipfel des weißen Tuchs vom Nebentisch, reiße es runter und werfe es über die Leiche. Ich kann bestimmt klarer denken, wenn mich die toten Augen nicht länger anstarren.
    »Konnte sie
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