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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages
Autoren: Sveva Casati Modignani
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Frau lächelnd. Sie ging auf ihn zu und drückte ihm einen lauten Kuss auf die Wange. »Wir sehen uns heute Abend. Und lass dir von Giuditta erzählen, warum sie zwei Tage zu früh auftaucht.«
    Im Flur kam ihr ein Dienstmädchen entgegen, das ihr eine gefütterte Steppjacke, Handschuhe und ihre Aktentasche überreichte.
    Léonie bedankte sich und ging. Ihr Wagen stand bereits vor der Villa bereit. Sie setzte sich ans Steuer, schnallte sich an und fuhr los.
    Auf einer langen Allee durchquerte sie den Park bis zum eindrucksvollen schmiedeeisernen Tor, das sich automatisch öffnete.
    Nichts und niemand, ja, nicht einmal ihre Kinder konnten sie um diesen Tag bringen, der seit ihrer Heirat ausschließlich ihr allein gehörte.

3
    L éonie verließ Villanova, einen Ort zwischen Mailand und Lecco, in dem sich der Turm der Kirche San Francesco über die Dächer erhob. Sie nahm die Landstraße, fuhr nach einigen Kilometern durch den Kreisverkehr und bog schließlich in eine asphaltierte Straße ein, an deren Ende ein Industriekomplex aufragte, an dem in großen Neonbuchstaben CANTONI-ARMATUREN zu lesen war.
    An die Fabrik schloss sich ein weiterer, kleinerer Bau an, der aus dem neunzehnten Jahrhundert stammte. Das war der frühere Firmensitz, auf dessen efeubewachsener Fassade der Originalschriftzug »ROBINETTI« nach wie vor zu sehen war. Damals hießen Armaturen noch »robinetti«, abgeleitet vom altfranzösischen Wort robin , »Widder«, weil sie einst die Form eines Widderkopfes gehabt hatten. Crippa war der Nachname des Gründers der Firma gewesen, die anschließend an die Familie Cantoni übergegangen war. Das alte Gebäude war komplett restauriert worden und beherbergte jetzt die Büros und das Armaturen-Museum.
    Letzteres war einer Idee Léonies zu verdanken. Es existierte seit den ersten Jahren ihrer Ehe, als sie im Keller zwischen Schrott und Produktionsüberschüssen einige antike, seltsam geformte Armaturen gefunden hatte, regelrechte Skulpturen. Manche waren beinah obszön, andere Tierköpfen nachempfunden, darunter auch dem eines Widders. Die eine oder andere vorhandene vergoldete Bronze- oder Silberarmatur ging sogar bis aufs sechzehnte Jahrhundert zurück.
    Wahrscheinlich stammten sie aus den prunkvollen Anwesen der adligen Familien in der Umgebung und waren im Lauf der Jahrhunderte durch modernere, praktischere Armaturen ersetzt worden. Seit über zwanzig Jahren wurde das Museum, das Léonie um andere seltene Stücke aus der ganzen Welt ergänzt hatte, von Schulklassen, Sammlern und Neugierigen besucht und stand der Firma gut zu Gesicht.
    In den Büros erwartete Léonie vorweihnachtliche Stimmung. Am Fuß der Treppe stand eine riesige Tanne, die mit leuchtenden Sternen geschmückt war. Kugeln und Lametta zierten die Türen. Léonie ging in den ersten Stock, erwiderte die Grüße der Angestellten und betrat ihr Büro. Die betagte Signorina Mombelli, die Sekretärin, erwartete sie mit der neuesten Post. Sie wusste, dass die »Signora« es eilig hatte, es war schließlich der zweiundzwanzigste Dezember, und da würde sie bald aufbrechen und erst am nächsten Tag zurückkehren. So war es jedes Jahr, auch als sie noch wesentlich jünger und sichtbar schwanger gewesen war oder eines ihrer Kinder gestillt werden musste. Léonie setzte sich an den Schreibtisch, begann, die Post durchzusehen, und stieß einen spontanen Freudenschrei aus.
    Â»Eine neue Bestellung aus Dubai! Aber das ist ja fantastisch!«
    Â»Achthundert Stück von dem Widdermodell in Gold«, präzisierte Signorina Mombelli stolz.
    Â»Wir können froh sein, dass wir genügend Gold im Tresor haben. Beim jetzigen Kurs machen wir einen Riesengewinn«, stellte Léonie fest, nicht ohne hinzuzufügen: »Das ist ein wirklich tolles Weihnachtsgeschenk für die Firma.«
    Sie strahlte, und die Sekretärin wusste, dass das nicht nur an der unverhofften Bestellung des arabischen Hotels lag: Die »Signora« war am Tag der Wintersonnenwende einfach immer glücklich.
    Und als Léonie ihr Büro verließ, flüsterte die Mombelli ihr zu: »Einen schönen Tag noch!«
    Â»Den habe ich bestimmt«, versicherte sie ihr und wandte sich zur Treppe.
    Sie stieg erneut in den Wagen, fuhr ein Stück über die Landstraße und nahm dann die Autobahn nach Lecco und zum Comer See.
    Der Verkehr wurde
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