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Befohlenes Dasein

Befohlenes Dasein

Titel: Befohlenes Dasein
Autoren: J. E. Wells
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die Beine bequem übereinandergeschlagen und widmet sich eifrig der Führung eines Gespräches. Doch dieser Eifer ist verständlich, wenn man sich seinen Gesprächspartner betrachtet.
    Dieser Gesprächspartner ist eine Frau von einmaliger Schönheit.
    Mit verbindlicher Geste beugt sich Kan Kamana, der berühmte Erfinder, über den niedrigen Tisch, der sich zwischen ihm und seiner Gesprächspartnerin befindet.
    „Es ist mir ein beglückendes Gefühl, Sie in meinem Haus zu sehen, Ira Tarwi“, sagt der noch jugendlich aussehende, schwarzhaarige Kan Kamana, und man sieht es ihm an, daß er die Wahrheit spricht. „Ich hoffe, daß sich unsere Bekanntschaft noch vertiefen wird. Sprechen Sie Ihre Wünsche aus, Gnädigste! Es soll nichts geben, was Ihnen versagt sein soll.“
    Ira Tarwi lehnt sich zurück und lächelt zur Zimmerdecke empor.
    „Sie sind ein bezaubernder Mann, Kan Kamana“, antwortet sie mit ihrer dunkelgefärbten Stimme. „Und ich bin nur eine neugierige Frau ohne Bildung und Wissen. Ich stehle Ihnen die Zeit, Professor.“
    „Man kann nichts stehlen, was gar nicht existiert“, philosophiert Kan Kamana.
    „Wer wollte in Ihrer Gegenwart an die Zeit denken, Ira Tarwi?“
    „Sie sind ein Schmeichler, Kan Kamana. Ich hätte eine solche Sprache nicht von Ihnen erwartet. Haben Sie sich nicht der Wissenschaft verschrieben? Das gewaltige Reich der Galaktischen Union betrachtet Sie als eine seiner geistigen Stützen, Ihr Leben ist erfüllt vom Ruhm des Erfolges, und Ihre Zukunft ist bestimmt für Ehre und Unsterblichkeit. Es war für mich ein beglückendes Gefühl, von Ihnen in Ihr Haus eingeladen zu werden. Wie sollte ich einer solchen Einladung Folge leisten ohne das brennende Interesse, nicht nur den Mann, sondern auch sein Werk kennenzulernen. Ich gestehe Ihnen ohne Scham, daß ich eine Unwissende bin und daß mein Geist nicht ausreicht, die Größe Ihrer Erfindung zu begreifen.“
    „Sie sollen diese Erfindung begreifen, Ira Tarwi“, entgegnet er rasch. „Sie sollen als einer der ersten Menschen jenen Blick in die Vergangenheit tun, und nicht nur das, sondern noch viel mehr: Sie sollen sich selbst in dieser Vergangenheit bewegen.“
    Sie hat die Arme im Nacken verschränkt.
    „Ich fürchte mich, Kan Kamana“, sagt sie mit ihrer einschmeichelnden Stimme.
    „Ich werde über Sie wachen und Sie ständig im Auge behalten, o schönste aller Frauen des Kidor. Doch sollen Sie die Reise in die jenseitige Zeit nicht unvorbereitet antreten. Sie werden vorher einen Blick in meine geschichtliche Bibliothek werfen. In diesen Büchern sind sämtliche geschichtlichen Ereignisse der uns erreichbaren Planeten aufgezeichnet, soweit sie uns nach dem Großen Galaktischen Krieg noch bekannt sind. Das Inhaltsverzeichnis allein umfaßt zehn dicke Bände. Es ist nicht nur nach den Ereignissen geordnet, sondern auch nach Zeiten und Impulsen.“
    Er erhebt sich und geht durch den blumenduftenden Hauptraum voraus. Durch eine Tür gelangen sie in einen Flur, von dem aus eine Treppe nach unten führt. Kühle Luft schlägt ihnen entgegen. Als sie unten angekommen sind, stehen sie vor einer mit Zink ausgeschlagenen Tür. Kan Kamana bleibt vor der Tür stehen und spricht ein Losungswort. Sofort setzt sich der Mechanismus der Tür in Bewegung.
    Der Raum, den sie betreten haben, ist trocken und kalt. Bis zur Milchglasdecke wird der Raum von Regalen durchzogen, auf denen dicke Bücher stehen.
    „So, und nun suchen Sie sich etwas heraus“, sagt Kamana. „Was interessiert Sie am meisten? Auf welchen Planeten wollen Sie, Ira? In welche Zeit der Vergangenheit?“
    Ira Tarwi spielt mit den Zähnen an der Unterlippe. Sie überlegt.
    „Besitzen Sie auch Bilder – Abbildungen?“
    „Aber ja, genug. Aus welchem Gebiet wollen Sie diese haben?“
    „Sagen wir – einen Kurort, ein Seebad – ein wenig mondän, aber gegenüber unserer Zeit etwas rückständig.“
    „Also eben die Vergangenheit“, lächelt der gute Psychologe Kan Kamana.
    Er sucht in der peinlich genau geordneten Bibliothek einen Bildband des gewünschten Genres: den Strym im Gebiet des Antares. Als Ira den Bildband durchblättert, stößt sie einen Ruf des Entzückens aus.
    „O wie schön! Und das soll ich jetzt alles sehen?“
    „Kommen Sie. Wir wollen uns zur Maschine begeben.“
    Er öffnet mit Hilfe eines neuen Kennwortes eine andere Tür, eine schwere dicke Betontür, die geräuschlos zur Seite rollt und in der hohlen Wand verschwindet.
    Dann betreten sie einen
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