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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter
Autoren: Bernd Frenz
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ausharren wollte.
    Die weißgrauen Schwaden, die auf Höhe des Passes waberten, waren nicht mit der klammen Witterung zu vergleichen, die diesem Landstrich den Namen eingetragen hatte. Nein, was sich da allmählich zu festen Umrissen verdichtete, war eine Manifestation vagabundierender Kräfte, die eine ganz neue, alles Lebende verspottende Form angenommen hatten.
    Inzwischen war deutlich zu hören, dass die Hufschläge aus dem zehn Mannslängen über dem Boden schwebenden Nebelfeld drangen. Grimmschnitter erbebte so stark, dass die Schwertscheide mehrmals hart gegen Rorns Oberschenkel klopfte. Als er die Klinge einen Daumenbreit aus der Umhüllung zog, huschten ausfransende Lichtbögen über den Stahl.
    Oben am Pass hallte ein lang gezogenes Heulen von den Felsen wider, vielleicht eine Reaktion auf Grimmschnitters Anwesenheit.
    Unversehens wirbelten feste Vorderläufe aus der Wolke hervor. Auch sonst zeichneten sich immer stärkere Konturen ab, wie Pferdeköpfe auf zurückgebogenen Hälsen oder grotesk anmutende Reiter, deren aufrechte Haltung nicht über ihre erlittenen Knochenbrüche hinwegtäuschen konnte.
    Metallisches Klirren erfüllte die Luft.
    Eigentlich war die Entfernung viel zu groß, um das Rutschen und Scheuern des Zaumzeugs zu hören, aber genau genommen gab es auch keine Riemen, Ösen oder Haken, die scheppern konnten, sondern nur verfestigten Nebel. Darum schenkte Rorn diesem Phänomen keine große Beachtung. Lieber fixierte er die seltsame Nebelbank, die urplötzlich zerfloss und sich zu strecken begann. Begleitet von lautem Schnauben und Wiehern formte sie einen langen, in die Tiefe gerichteten Bogen, der an dem kreisrunden Platz endete, auf dem die Tal-Fuhrwerke wendeten, wenn sie das Erz von den Packeseln übernahmen.
    Aufwallender Dampf hüllte den Pass ein, während die Nebelwandler endgültig Gestalt annahmen. Niemand wusste, woher sie kamen oder wem sie zu verdanken waren. Viele glaubten, dass es sich um die ruhelosen Seelen abgestürzter Eselstreiber handelte, andere argwöhnten, dass iskandische Hexenmeister einen bösen Zauber gewirkt hatten, um sich die wertvollen Minen einzuverleiben.
    Rorn wusste selbst noch nicht, was hinter diesen geisterhaften Erscheinungen steckte, aber eigentlich war die Ursache auch zweitrangig. Im Moment zählte nur, dass sich fünf Reiter auf schwarzen Hengsten aus dem Nebel hervorschälten. Weißer Brodem entwich den Nüstern der sofort angaloppierenden Rösser.
    Irgendwie trug es zu Rorns Beruhigung bei, dass das Pferdegetrappel nun vom Boden widerhallte, wo es hingehörte. Inwieweit Mensch und Tier nun wirklich feste Gestalt besaßen, ließ sich allerdings erst nach dem ersten Schlagabtausch sagen. Die Hufe der Geisterpferde waren auf jeden Fall in der Lage, tödliche Wunden zu schlagen, was bereits etliche Opfer zu spüren bekommen hatten.
    Grimmschnitter fuhr mit leisem Scharren aus der Scheide.
    Die beidseitig geschliffene Klinge funkelte im Mondlicht. Die bläulichen Lichtbögen waren verschwunden, aber das hatte nichts zu bedeuten. Der Bann jener unseligen Nacht, in der Rorns Dorf von Lederhäutern angegriffen worden war, wirkte auch unsichtbar.
    Den Schwertgriff mit beiden Händen umklammernd baute sich der einsame Streiter mitten auf dem Weg auf. Er suchte den Kampf, gleichzeitig wollte er verhindern, dass Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen wurden. In leicht geduckter Haltung sah er den rasch nahenden Gegnern entgegen.
    Rund um die Hufe wallte steter Nebel, sodass nicht zu sehen war, ob sie den Boden berührten. Auch Ross und Reiter umwehten durchscheinende Schleier. Leider verbargen die flatternden Fetzen nicht den Anblick der eingeschlagenen Schädel, genauso wenig wie die zerschmetterten Knochen, die wie bleiche Spieße aus dem Fleisch hervorstachen. Falls den näherpreschenden Nebelansammlungen wirklich die Seelen Verstorbener innewohnten, waren diese vermutlich eines grausamen Todes gestorben.
    Rorn spürte nicht die geringste Erschütterung unter den Füßen. Dem heranjagenden Trupp ging auch kein Luftzug voraus, nur bittere Kälte, ledernes Knarren und der überlaute Hufschlag, der in den Ohren dröhnte.
    Die Nebelwandler wollten Rorn über den Haufen reiten: Das wurde deutlich, als sie sich zu einer breiten Linie auseinanderfächerten, die über den Weg weit hinausreichte. Die geisterhafte Geschwindigkeit, mit der sie dieses Manöver vollzogen, raubte Rorn die Möglichkeit, sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit zu
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