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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter
Autoren: Bernd Frenz
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das Bett, es geht ihr nicht gut.« Hermok sah von dem Lappen auf, um seinen Worten eine höhere Glaubwürdigkeit zu verleihen. Trotzdem war er ein erbärmlicher Lügner.
    Der Schmerz zwischen Rorns Schulterblättern wuchs zu einem Stechen an. Der blonde Schopf, der so eilig in der Küche verschwunden war. Zweifellos gab es einen Grund dafür, dass sich die bislang so unbefangene Schankmaid plötzlich verleugnen ließ.
    »Sag Alme, sie soll aus der Küche kommen und mir mein Bier bringen!«, verlangte Rorn mit Nachdruck. »Und zwar sofort!«
    Hermoks Adamsapfel hüpfte vor Aufregung auf und nieder. Er musste mehrmals hart schlucken, bevor er ein Wort hervorbrachte.
    »Aber ich sage Euch doch …«, versuchte er aufzubegehren, verstummte aber mitten im Satz, als sich Rorns Linke demonstrativ um den Schwertgriff schloss.
    Eigentlich keine sonderlich drohende Geste, dazu hätte die Rechte nach Grimmschnitter langen müssen, trotzdem hütete sich der Wirt, noch weiter nach Ausflüchten zu suchen. Eine unverständliche Zustimmung murmelnd zog er davon. Sobald Hermoks fleckige Lederschürze die Sicht freigab, erkannte Rorn mit absoluter Sicherheit, dass ihn seine Ahnung nicht getrogen hatte.
    Über die Hälfte der Gäste starrte unverwandt zu ihm herüber, und auf den Zügen der Südländerin zeichnete sich stille Anerkennung ab. Keine zehn Herzschläge später kam Alme hinter dem Tresen hervor und brachte ihm einen bis zum Rand gefüllten Krug. Gleichzeitig erhoben sich in der Mitte der Schankstube drei junge Hirten, die schon die ganze Zeit über aufgeregt miteinander getuschelt hatten.
    Der am höchsten Gewachsene unter ihnen war dünn wie eine Bohnenstange. Obwohl er keineswegs der Kräftigste aus der Gruppe war, marschierte er selbstbewusst voran, während ihm seine Freunde in kurzem Abstand folgten.
    Rorn hätte beinahe verächtlich durch die Nase geschnaubt. War das alles, womit er es zu tun bekam? Drei mit geflickten Hosen und schmutzigen Fellwesten bekleidete Ziegenhirten? Die übliche Dorfmeute, die ihre Kräfte messen wollte?
    Jedem der drei spross ein langer Kinnbart. Während die hinteren beiden dadurch eine gewisse Ähnlichkeit mit ihren Ziegen erlangten, spaltete sich Bohnenstanges dunkelblonder Flaum zu zwei geflochtenen Zöpfen auf.
    Die betont lässig heranschlendernden Jungspunde, denen alle Blicke folgten, nahmen Rorns Aufmerksamkeit so stark in Anspruch, dass ihm Almes merkwürdiges Verhalten beinahe entgangen wäre. Geschwind stellte sie seinen Krug ab und wollte sich sofort wieder zurückziehen. Erst im letzten Moment schöpfte er Verdacht und bekam sie gerade noch am Arm zu fassen.
    Statt wegen des harten Griffs zu protestieren, sah sie verlegen zur Seite. Die rechte Gesichtshälfte, die sie Rorn schon die ganze Zeit präsentierte, war so zart und wohlgeformt wie immer. Ein rosiger Schimmer glänzte auf ihrer milchweißen Haut, was ihn an Neele erinnerte, seine erste und einzige Liebe.
    Allein deshalb hätte er Alme nie etwas Böses antun können. Und aus dem gleichen Grund duldete Rorn nicht, dass ihr sonst jemand ein Leid zufügte, nur weil sie sich ihm gegenüber freundlich gezeigt hatte.
    Wohl zu freundlich für den Geschmack einiger Dorftölpel. Rorn wusste, was er zu sehen bekommen würde, noch ehe er Alme sanft am Kinn fasste und ihr Gesicht zu sich herumdrehte. Rund um ihr linkes Auge schillerte die Haut in verschiedenen Violett- und Blautönen. Zweifellos die Folge eines heftiges Schlages, vielleicht mit der offenen Hand, aber wohl eher mit der geschlossenen Faust ausgeführt.
    Zorn wallte in dem jungen Krieger auf. Zorn auf sich selbst und den Bann, der auf ihm lag. Ist das etwa dein Werk, Grimmschnitter? , haderte er im Stillen. Müssen nun auch schon jene leiden, die ein paar gute Worte mit mir wechseln?
    Natürlich blieb das Schwert die Antwort auf seine Fragen schuldig. Zu sprechen oder gar zu erklären war Grimmschnitter nicht gegeben. Nur so zu reagieren, wie es der auf Rorn liegende Bann von ihm verlangte.
    Almes Augen begannen, feucht zu glänzen. Schweigend drängte sie die aufsteigenden Tränen zurück, anstatt vor Wut aufzuschreien und den Feigling zu benennen, der sie geschlagen hatte. Rorn hätte ihr gerne gesagt, wie sehr es ihn schmerzte, dass sie seinetwegen misshandelt worden war, doch die Blicke des ganzen Schankraums ruhten auf ihnen.
    Er wusste, dass er jetzt kein Zeichen der Schwäche zeigen durfte.
    »Geh nur«, empfahl er Alme so leise, dass es sonst niemand hörte.
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