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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
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schließlich die Bank. Jedenfalls das meiste davon. Und er lebte allein. Seine Frau ist vor fünfzehn Jahren gestorben. Es gab von Zeit zu Zeit jemanden... Sie wissen schon. Aber nicht im letzten halben Jahr. Niemand, der ihm Kummer gemacht hätte.«
    »Wenn er einmal Sorgen hatte — verbarg er sie vor Ihnen?«
    »Ja«, sagte sie zögernd. »Das tat er allerdings. Aber ich hätte...«
    »Es bestünde also theoretisch die Möglichkeit, daß ihn irgendein berufliches oder privates Problem quälte, von dem Sie nichts wußten«, schnitt er ihr das Wort ab.
    »Ich... ja. Was stand in dem Abschiedsbrief?«
    »Nicht sehr ergiebig, dieser Brief. Ein paar Zeilen bloß. Er hat sein Leben verglichen mit... warten Sie... ja, mit einer zerbrochenen Fiedel oder so ähnlich. Und daß das Leben wie eine Hure ist, von der er im Morgengrauen weggeht. So ein lyrisches Zeug. Kommt häufig vor. Derartige seelische Abschiedsergüsse haben wir oft.«
    »Ich würde es gern lesen.«
    »Nichts zu machen. Schon eingetütet und im Koffer. Es ist seine Handschrift. Seine beiden Sekretärinnen haben es übereinstimmend bestätigt.«
    »Ich möchte es trotzdem lesen. Bitte.«
    »Rufen Sie mich an. Ich lasse eine Ablichtung machen und gebe Ihnen den Text durch.«
    Sie zog eine Schublade an ihrem Schreibtisch auf, holte eine Visitenkarte heraus und reichte sie ihm. »Ich hätte es gern so schnell wie möglich. Sie können es mir auch faxen.«
    Er blickte auf die Karte. Unter dem kunstvollen Emblem der Bank stand in feingeprägten Lettern: Dr. Johanna Herbst — Direktorin . Darunter Adresse, Fax- und Telefonnummer. Seine Miene wirkte etwas säuerlich. »Was ist das für eine Abteilung, die Sie leiten?«
    »Stiftungen. Eine Unterabteilung der Vermögensverwaltung.«
    »Ach«, sagte er lahm. Er war Experte für Gewaltkriminalität. Stiftungsrecht war für ihn ein exotisches Randgebiet. Ein Fremdwort. »Wir verwalten eine ganze Reihe von Stiftungen«, erläuterte sie ungefragt. Sie schien zu weiteren Erklärungen ausholen zu wollen, doch er winkte ab. »Schon gut.« Von seinem Stuhl aus konnte er aus dem Fenster sehen, das sich über die gesamte Längsseite des Raumes erstreckte. Die Augustsonne wurde von den metallisch reflektierenden Fassaden der in der Nähe aufragenden Bank- und Versicherungshochhäuser widergespiegelt und erfüllte das Büro von Johanna Herbst zu dieser Vormittagsstunde mit großer Helligkeit.
    Johanna nutzte die Gesprächspause, um aufzustehen. »Ich würde gern die Unterhaltung beenden, wenn Sie keine Fragen mehr haben.«
    Er blickte sie prüfend an. Sie war blaß und erkennbar um Beherrschung bemüht, so als stünde sie kurz davor, in Tränen auszubrechen. Er war wieder der verständnisvolle, väterliche Beamte. »Ich verstehe.« Er stand auf, streckte ihr die Hand hin. »Kann sein, daß ich noch einmal auf Sie zukomme.«

    Der Staatsanwalt hatte Johanna unterschätzt. Sie gestattete sich nicht den Luxus zu weinen. Als ihr Besuch gegangen war, drückte sie auf den Knopf ihrer Gegensprechanlage.
    »Hilda?«
    »Ist er weg?« meldete sich ihre Sekretärin.
    »Ja. Und ich bin auch gleich weg. Wimmeln Sie alle ab.«
    »Was hat er gesagt? Weiß man schon Genaueres? Wie ist er...«
    »Ich will jetzt nicht darüber sprechen«, schnitt Johanna ihr das Wort ab. Hilda holte hörbar Luft. »Sind Sie morgen wieder an Bord?« fragte sie dann mit erzwungenem Gleichmut.
    »Ja. Hilda, tun Sie mir einen Gefallen, und rufen Sie im Lauf des Tages bei der Staatsanwaltschaft an. Verlangen Sie einen Herrn Dr. Jäger. Bitten Sie ihn dringend um den Abschiedsbrief.« Schweigen. Dann: »Ein Abschiedsbrief? Aber was könnte er...«
    »Dringend, Hilda. Wir reden morgen darüber.«
    Sie stand auf, ging zu einem der eingebauten Schränke und öffnete ihn. Die Tür bewegte sich lautlos in den Scharnieren, und die Mechanik zog die Schranktür langsam wieder zu, nachdem Johanna ihre Handtasche aus einem der Fächer genommen hatte. Eine Jacke trug sie nicht. Die Hitze brachte die Luft bereits um diese Tageszeit im Bankenviertel zum Kochen.
    Im Aufzug war sie allein. Sie starrte die verchromte, ihre Erscheinung widerspiegelnde Kabinenwand an, ohne wirklich etwas zu sehen. Ihre Pfennigabsätze klickten auf dem Marmor der Eingangshalle, als sie achtlos an dem zehn Meter langen und sieben Meter hohen Graffito von Keith Haring vorbeieilte. An der breiten Glasfront des Eingangs lauerte bereits die Pressemeute. Johanna wich vor dem Blitzlichtgewitter zurück,
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