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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
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der Bank innehabe. Demnächst avanciere ich zur stellvertretenden Geschäftsführerin. Ich bin erst seit zwei Jahren im Beruf. Das ist selbst für ein kleineres Bankhaus wie dieses hier eine rasante Karriere. Das schafft man heutzutage nicht mehr allein durch Fleiß und gute Arbeit. Man braucht außerdem Protektion.«
    Damit war sie auf den Punkt gekommen. Er beugte sich vor. »In der Filmbranche würde man dergleichen wohl als den Umweg über die Besetzungscouch bezeichnen, könnte man es so ausdrücken?«
    »Wenn es Ihnen gefällt«, sagte sie kalt.
    »Ich will Ihnen keineswegs zu nahe treten, Frau Herbst. Waren Sie seine Geliebte oder nicht?«
    »Frau Dr. Herbst, Herr Dr. Jäger.«
    Er hob die Brauen. Davon hatte ihm die Sekretärin nichts gesagt. Er fragte sich, ob sie auf die ehrliche, schweißtreibende Art promoviert hatte oder ob sie einen Teil ihres beträchtlichen Jahreseinkommens für einen Phantasiedoktor angelegt hatte. Er betrachtete sie stirnrunzelnd. Ihr glattes junges Gesicht wirkte verschlossen und abweisend. Auf diese Weise würde er nicht weiterkommen. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
    Sie schwieg.
    Er ließ sich nicht beirren. »Welcher Art war denn dann die Protektion? Wenn Sie nun nicht seine Geliebte waren... könnte man Herrn Dr. Klingenberg vielleicht als Ihren... Mentor bezeichnen?«
    Sie hob die Schultern. »Nennen Sie es doch, wie Sie wollen. Ich hatte jedenfalls nichts mit ihm. Egal, was die Klatschmäuler hier in der Bank reden.«
    »Mir gegenüber wurde in der Tat so etwas in dieser Art angedeutet. Haben Sie eine Vorstellung, wie die Leute zu einer solchen Fehleinschätzung kommen konnten?«
    »Allerdings. Ich kann es ihnen nicht mal verübeln. Junge Berufsanfängerin wird vom Chef persönlich eingestellt, ge- und befördert, pflegt private Kontakte mit ihm. Was sollen sie sonst denken?«
    »Sind Sie verwandt mit ihm?«
    »Nein.«
    »Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
    Sie starrte vor sich auf die Schreibtischplatte. Er sah, daß ihr Mascara dieselbe tiefblaue Farbe hatte wie ihr Kleid. »Zufall. Wir haben uns während meines Referendariats kennengelernt. Seine Tochter war die Freundin meines Bruders.«
    »War?«
    »Sie ist tot.«
    »Hm. Und er hat auch danach sozusagen seine schützende Hand über Sie gehalten?«
    Er wartete auf eine Antwort, aber sie erwiderte nichts. Er schlug ein Bein über das andere. »Etwas anderes. Er ist in seinem Büro gestorben. Ziemlich spät am Abend. Ist es üblich, daß sich Mitarbeiter des Hauses so spät noch hier aufhalten?«
    »Das ist keineswegs ungewöhnlich. Wenn Sie abends um zehn kommen, werden Sie hier noch viele treffen. Um elf sind es dann schon weniger, aber es sind immer noch ziemlich viele. Ich selbst war gestern auch bis halb elf da, genau wie eine Menge anderer Kollegen. Sogar nach Mitternacht wird noch gearbeitet. Die Vorstandsmitglieder haben im vierzehnten Stock Schlafzimmer. Er auch.«
    »Ich habe es gesehen. Hat er öfter in der Bank übernachtet?«
    »Selten. Er hat es eher vermieden. Er hatte das Bedürfnis, den Rest seines Tages zu Hause zu verbringen, selbst wenn es nur eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen war.«
    Ein Teil seiner Verbitterung angesichts des luxuriösen Ambientes verflog. »Scheint ja ziemlich viel gearbeitet zu haben. Dabei gehörte ihm doch der Laden, oder nicht?«
    »Deshalb hat er auch viel gearbeitet. Man könnte sagen, daß die Arbeitsbelastung mit der Verantwortung steigt. Wir haben hier keine Frühstücksdirektoren. Ineffizienz ist tödlich im Bankgewerbe. Ungenauigkeiten und Schlampereien im Kreditbereich können nur die Großbanken verkraften, ohne Federn zu lassen. Die Kleinen und die Privaten müssen da schärfer hinsehen. Für unser Bankinstitut könnte zum Beispiel ein Fall Schneider das Aus bedeuten.«
    Er räusperte sich. »Sie sagten vorhin, daß Herr Dr. Klingenberg aus Ihrer Sicht keinen Grund hatte, Selbstmord zu verüben. Besteht die Möglichkeit, daß es da etwas wie... sagen wir, einen Fall Schneider gegeben haben könnte? Ein Skandal, der sich anbahnte, wegen fauler Kredite in vergleichbarer Größenordnung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen. Davon wüßte ich. Er hätte mit mir darüber geredet. Da war nichts. Keine maroden Gelder. Keine drohenden Verluste. Nichts in der Art. Ich wüßte davon. Wir waren oft zusammen, haben uns oft unterhalten.«
    »Sie kannten ihn privat. Gab es da Geldsorgen? Beziehungsprobleme?«
    »Er hatte genug Geld. Ihm gehörte
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