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Bahnen ziehen (German Edition)

Bahnen ziehen (German Edition)

Titel: Bahnen ziehen (German Edition)
Autoren: Leanne Shapton
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im 50-Meter-Becken, wird Sprint genannt. Bahn fünf liegt in Führung, doch bei der Wende nach fünfzig Metern – der Hälfte –, schlägt Bahn drei vor ihr an. Bahn drei legt eine starke Wende hin und drückt sich kraftvoll ab.
    Was Bahn drei an der Wand hört: ein dumpfes Pochen, als sie an die Matte schlägt. Beim Luftholen für einen kurzen Moment den Lärm der anfeuernden Zuschauer, der, als sie nach der Wende wieder abtaucht, im Blubbern der Blasen untergeht, die um ihren Kopf aufsteigen, kontrolliert und regelmäßig. Dann wieder Stille. Ein Gluckern während der langen Gleitphase des Tauchzugs, ein knapper, dünner Seufzer der Anstrengung, ein kraftvolles Ausatmen, ein Grunzen während des einen beim Tauchzug zulässigen Delphinbeinschlags.
    Als sie mit dem Kopf wieder an die Oberfläche kommt, dröhnt das Brüllen der Menge mit jedem Atemzug laut, dann leise, laut, dann leise; ein Chor verzerrter Knall- und Klatschgeräusche, die an ihre Badekappe branden.
    Das Wasser vor ihr ist ruhig, ein flacher, spiegelglatter Horizont. Bahn vier nimmt am Rande wahr, was um sie herum passiert, doch sie ignoriert es. Bahn fünf und drei liegen mit ihr gleichauf, wenn nicht vorne. Sie schiebt die Enttäuschung beiseite und legt noch mehr Kraft in ihren Beinschlag. Zwischen den Zügen hört jede Schwimmerin den tiefen Bass des Sprechers, der über den Jubel der Menge hinweg den Wettkampf kommentiert. Was sie nicht hört, ist, dass Bahn acht auf den letzten fünfundzwanzig Metern aufholt und jetzt Kopf an Kopf mit Bahn vier liegt.
    Die letzten zehn, fünfzehn Meter sind die schmerzhaftesten, körperlich und mental. Die Muskeln werden von Milchsäure geflutet. Die Züge werden kürzer, schwächer, stampfend, finden keinen Vortrieb. Es ist ein schreckliches, verzweifeltes Gefühl, bei dem sich zeigt, ob das Training erfolgreich war. Zu wenig Cardio, und der ganze Körper lässt dich im Stich, zu wenig Technik, und die Präzision der Züge lässt nach, zu wenig Krafttraining, und die Muskeln verbrennen wie Papier.
    Bahn drei berührt die Wand zuerst, gefolgt von Bahn vier, die minimal vor Bahn acht liegt, mit nur zwei Hundertstelsekunden Abstand der dritte Platz. Schwer atmend drehen sich die Schwimmerinnen am Beckenrand um, um zur großen Anzeigetafel mit den Zeiten zu sehen. Als Bahn acht liest, dass sieden dritten Platz erreicht hat, schlägt sie mit der offenen Hand gegen die gelbe Wand. Bahn fünf ist vierte, gefolgt von sechs, sieben, zwei und eins.
    Bahn drei zieht die Kappe ab, wirft sie über den Beckenrand und legt den Kopf in den Nacken, um ihn ins kühle Wasser zu tauchen. Ein Pfiff ertönt. Die Schwimmerinnen stemmen sich aus dem Becken, sammeln ihre Handtücher und Kleider ein. Manche gehen zum Ausschwimmbecken, andere zu ihrem Trainer.
    Bei der Siegerehrung überreicht eine Frau in einem engen schwarzen Cocktailkleid und roten Stöckelschuhen jeder Schwimmerin eine in Zellophan eingepackte Rose, legt ihr die Medaille über den nassen Kopf und schüttelt ihr die Hand. Dann gratulieren sich die drei Medaillenträgerinnen gegenseitig. Bahn vier zögert, bevor sie Bahn acht die Hand gibt. Bahn acht nimmt sie, doch als sie vom Podium tritt, wischt sie sich die Hand am Bein ab.

D ONUTS
    Ich fange mit meinem Bruder beim Town of Mississauga Aquatic Club ( TOMAC ) zu schwimmen an. Derek ist vierzehn, ich bin zwölf. In unserer Gruppe – der »mittleren Altersgruppe« – schwimmen die schwächsten Mitglieder; die Anfänger und die einigermaßen Talentlosen, gleich welchen Alters. Unsere Gruppe ist auch die am wenigsten disziplinierte, wir müssen nur fünfmal die Woche zum Training erscheinen. In der Fortgeschrittenen-Gruppe sind es elfmal. Die Fortgeschrittenen-Gruppe ist die nächste Stufe, wo die ernsthaften, die Elite der unter Fünfzehnjährigen schwimmen. Danach kommen die Junioren, die schnellsten Schwimmer, fünfzehn und aufwärts. Eine Handvoll Schwimmer aus diesen beiden Gruppen erreicht gewöhnlich gute Plätze bei den Landesmeisterschaften und gehört zu den Top-25 des Landes.
    Unser Trainer Tom ist der lustigste. Er ist groß und schlaksig, mit einem dichten schwarzen Schnurrbart und dem Gesicht eines Bluthunds. Er fährt einen roten Toyota Fließheck mit einem schmuddeligen Schaffell-Lenkradbezug. Beim Training schlurft er durch die Pfützen am Beckenrand, feuert uns an und verdreht die Augen, wenn er unsere unsauberen Züge sieht. Er trägt zu Badelatschen graue Wollsocken, die nach einer halben
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