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Bädersterben: Kriminalroman

Bädersterben: Kriminalroman

Titel: Bädersterben: Kriminalroman
Autoren: Kurt Geisler
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Bundesliga zu verfolgen. Die schlechte Wetterlage bot zudem den Vorteil, dass das nervige Ploppen von mehr oder weniger halbwegs getroffenen Bällen der Dilettanten entfiel, die bei schönem Wetter auf der Anlage den Tennissport immer wieder neu erprobten. Das war positiv zu werten, denn dieses Ploppen hatte in der Vergangenheit den Fußballgenuss der Bundesliga-Fangemeinde an manchen Spieltagen durchaus schon getrübt. Zudem hatte bei dem Schietwetter keiner seiner jüngeren Kumpel ein Problem damit, sich dem Frischluftwahn ihrer gerade neu gegründeten Familien zu entziehen, um sich in diesem weiß getünchten Zweckbau aus den Fünfzigern zu verdrücken, in dem sie ihren alten Tugenden nachgehen konnten. Fußballgucken, Biertrinken und Fachsimpeln. Je nach Stimmungslage zu Hause und Sympathie für einen Verein schlugen jetzt an diesem ersten Spieltag der Bundesliga die Wogen unterschiedlich hoch, und die Interviews im Fernsehen wurden von den Kumpanen meist zynisch kommentiert. Stuhr liebte das, und das Bier aus dem Zapfhahn war auch nicht das Schlechteste. Er mochte nicht noch ein dunkles Bier trinken, und so bestellte er schnell ein Nucki Nuss Vanille.
    Bei Torge am Tresen gab es ständig genügend Gesprächsstoff, der durchaus nicht immer nur sportlicher Art war. Zumeist wurde Klage geführt wegen der mangelnden Dankbarkeit der angetrauten Frauen, bevor die hohen Spritpreise thematisiert wurden. Danach kam natürlich die anhaltende Finanzkrise an die Reihe, auch wenn die Auswirkungen in Kiel weitaus weniger zu spüren waren als auf den großen Finanzplätzen der Welt, an denen die Yuppies vor laufenden Kameras ihre Habseligkeiten in Kartons aus den Büros schleppen mussten. Wenn eine Stadt wie Kiel nicht allzu viel Industrie und Handel aufzuweisen hatte, dann konnten auch nicht besonders viel Arbeitnehmer von Entlassungen betroffen sein. Insofern bot die Regionalität der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt durchaus einen gewissen Schutz vor den Kapitalhengsten, wenngleich es die eine Werft oder den anderen privatisierten Kommunalbetrieb bereits erwischt hatte. Natürlich war der Kieler Sport ebenfalls ein Dauerthema, wenngleich die Finanzkrise dort offensichtlich außer Kraft gesetzt zu sein schien. Der Handballverein THW Kiel, die Zebras, holte schon seit Jahren alle möglichen Titel in die Landeshauptstadt. Die Fußballmannschaft von Holstein Kiel, die Störche, trainierte neuerdings ein ehemaliger Bundesligatrainer gegen ein gewaltiges Gehalt, und die hochkarätigen Assistenten mussten auch noch mit durchgefüttert werden. Alle wunderten sich, wie das in dieser strukturschwachen Ecke bewerkstelligt wurde. Wo kam das viele Geld nur her? An dieser kontroversen Diskussion, ob der Geldfluss gut oder schlecht für die Vereine war, beteiligte Stuhr sich nicht. In der letzten Zeit waren Gerüchte über Schiebereien beim THW Kiel aufgetaucht, aber immer wieder wurden sie dementiert. Das war nicht untypisch für die Landeshauptstadt, die trotz ihrer Größe etwas angenehm Provinzielles hatte, denn die Wege zwischen den Zentren der Handballmacht waren kurz. Vom geduckten Bau des Hauptsponsors bis zur Geschäftsstelle des Handballvereins unterhalb des VIP-Bereichs der Ostseehalle benötigte man zu Fuß keine Viertelstunde. ›Wer, wenn nicht wir?‹, stand auf den schwarz-weißen Fanschals geschrieben, die dort zum Verkauf auslagen.

    Laut zu spekulieren war nicht Stuhrs Art. Kiel hatte schließlich die besten Handballer der Welt, bessere sogar noch als Flensburg, was in Schleswig-Holstein fast wichtiger war. Was das Betuliche der Stadt überstrahlte, waren die Erfolge im Handball. Bei den Störchen zog das neue Trainerteam inzwischen viele junge hochkarätige Talente an, und nach der letzten erfolgreichen Saison, in der sie aufsteigen konnten, schienen sie auch in der neuen Spielzeit alle Möglichkeiten zu besitzen, sich hoch oben in der Tabellenspitze einnisten zu können. Was wollte sein Sportlerherz mehr?
    Natürlich grübelten alle genau wie er, woher plötzlich die komfortable Finanzausstattung bei den Vereinen stammte, bis er von einem seiner Kumpel angeraunzt wurde.
    »He, Stuhr! Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen oder bist du etwa zu den Bayern konvertiert? Sonst weißt du doch alles!«
    Stuhr musste lächeln. Auch hier duzten ihn die Jungs, obwohl er schon Frühpensionär war. Natürlich mit dem Nachnamen, denn seinen Vornamen Helge fand er nicht so prickelnd. Stuhr wusste, dass man es hier
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