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Bädersterben: Kriminalroman

Bädersterben: Kriminalroman

Titel: Bädersterben: Kriminalroman
Autoren: Kurt Geisler
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hatten, die nie offengelegt wurden, damit daraus nicht irgendwann bei Bier und Korn am Tresen Dreck am Stecken wurde. In Sankt Peter wusste er vermutlich mit am besten über die Verhältnisse der Nachbarn Bescheid, aber darüber redete er natürlich nicht.
    Obwohl er mit seinen Gedanken ganz woanders war, blieb ihm nicht verborgen, dass das Getöse um ihn herum merklich nachließ. Genauso plötzlich, wie der Sturm aufgekommen war, ebbte er jetzt wieder ab, und so langsam kehrte auf dem Pfahlbau wieder Ruhe ein. Vergeblich versuchte Hein, die seltsamen Geräusche wieder auszumachen, die er vorhin nicht hatte einordnen können, aber sie waren allesamt verstummt. Er konnte sich das nicht erklären. Wenn die Flut morgen früh abgelaufen war, würde er den Pfahlbau gründlich von unten in Augenschein nehmen. Vermutlich hatte sich lediglich vom Wellenschlag irgendwo eine Planke gelöst.
    Hein Timm grübelte weiter, allerdings mehr über seine Eltern als über die Ursache der Geräusche. Krieg. Das schien auch ein Kapitel für sich zu sein. Er konnte sich lebhaft erinnern, wie sein Vater ihm einmal eindrucksvoll geschildert hatte, dass die Hauptwaffe im letzten Weltkrieg weder die Maschinenpistole noch das Sturmgewehr war, sondern der kleine Klappspaten, mit dem man im Nahkampf am schnellsten die Gegner abmurksen konnte. Dabei hatte ihn sein Vater in einer Art und Weise angesehen, die ihn vermuten ließ, dass da noch weitaus schlimmere Dinge gelaufen waren. Wie schwarz letztendlich die Uniform seines Vaters in der Nazizeit gewesen war, darüber wurde in der Familie nie gesprochen. Auch dieses Wissen barg das Grab seiner Eltern.
    Geschwister hatte Hein Timm nicht, was seinerzeit in Sankt Peter ungewöhnlich war. Manchmal hatte er den Verdacht, dass er vielleicht nur ein Ausrutscher war. Wäre das Leben seiner Eltern besser verlaufen, wenn er nicht zur Welt gekommen wäre? Über diesen Gedankengang nickte er endlich ein.

     

     

2 Zebras und Störche

    Mit der Pranke seines kräftigen rechten Arms schlug Torge unerbittlich vor ihm auf den Tresen. »Komm ans Brett, Stuhr!« Die andere Hand des muskulösen Kneipenwirts des kleinen Sportheims wies auf den letzten freien Barhocker, der vor dem ihm zugewiesenen Tresenplatz stand. Stuhr schüttelte den Regen von der Jacke und bestieg den Hocker gern, denn nur von dort aus hatte er eine reelle Chance, in der vollgerammelten Bude an diesem heiß ersehnten ersten Spieltag der neuen Fußball-Bundesligasaison auf zwei Bildflächen gleichzeitig live die Sonntagsspiele verfolgen zu können. Er dankte Torge dafür und bestellte ein Nucki Nuss Schoko. Diese Sprache verstand nur Torge, denn während die Aushilfen in der Folge die Eistruhe durchstöberten, kredenzte der ihm zum Erstaunen seines Sitznachbarn ein eiskaltes dunkles Hefeweizenbier, fachgerecht mit dem Etikett nach vorn aufgestellt.
    Es gibt viele überfüllte Plätze auf der Welt, auf denen man sich dennoch allein fühlen kann. Hier war es anders. Torge kannte jeden Vornamen seiner Gäste und bediente ihre Vorlieben, ohne sich zu verbiegen. Das zeichnete ihn aus, und deswegen war heute das Vereinsheim auch wieder proppevoll mit Fußballfans. Natürlich ergab dies manchen unerwarteten Moment, und so versuchte Torge auch schon, einen Speiseteller vor seinen Nachbarn an der Bar herunterzusenken.
    »Patriotenteller für dich, Kai.« Sein Stuhlnachbar blickte skeptisch nach oben.
    »Auch mit Schranke, Torge?« Torge behielt zunächst den Teller oben.
    »Klar, Kai, das ist hier inzwischen absolut definiert, und meine Küchenschlampe hat das nach langem Üben jetzt auch drauf.«
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Stuhr, dass seine männliche Aushilfe in der Küche mitgehört haben musste, denn der Mann nahm mit dem Rücken zur Gaststube trotzig einen tiefen Schluck aus seinem Rotweinglas. Der Patriotenteller senkte sich nun unbarmherzig auf den Tresen. Er offenbarte eine appetitlich aussehende, schräg in Scheiben geschnippelte Currywurst, die halbseitig einen Scheiterhaufen ähnlichen Berg Pommes frites umrahmte, der ein wenig unkonventionell von Zwiebelschnipseln gekrönt wurde. Die gewaltigen beiden Kleckse von Ketchup und Mayo auf der anderen Seite des Frittenberges lösten zumindest das Rätsel der Schranke.
    Mit Frittengeruch an der Bar hatte Stuhr immer schon seine Schwierigkeiten gehabt, für ihn gehörte zum Fußball schlicht nur Bier. Er nahm noch einen kleinen Schluck von seinem Weizenbier, bevor er sich zur Toilette begab. Es
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