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back to past - zurueck zu dir

back to past - zurueck zu dir

Titel: back to past - zurueck zu dir
Autoren: Sigrid Lenz
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alte Bekannte mache ich doch gerne eine Ausnahme.“
    „Alte Bekannte, ja?“ Gabriel schüttelte den Kopf, bis das Wasser aus seinen Haaren spritzte. Er nutzte den Moment, versuchte sich zusammenzureißen, seine Haltung zu wahren. Er hätte damit rechnen müssen, Christian zu begegnen, hatte damit gerechnet, und sich dennoch nicht erlaubt über den anderen nachzudenken. Zu lange war es her, zu viel war passiert. Zu viel hatte er in sich begraben.
    „Was würdest du sagen?“, fragte Christian und warf ihm ein Handtuch zu, das er unter der Theke hervorholte.
    „Dass wir zumindest nicht alt sind“, meinte Gabriel und trocknete sich dankbar seine nassen Strähnen. „Und dass wir damals jung und unschuldig waren. Nur zu unserer Verteidigung.“
    Christian lachte ebenfalls und blickte ihn an. „Jung bist du wirklich noch immer. Und das ‚unschuldig‘ traf wenigstens auf mich nie zu.“
    Den Anflug von Ernst, der mit den Worten durch den Raum wehte, ignorierte Gabriel und sah sich stattdessen interessiert um.
    „Schöner Laden“, meinte er anerkennend, „ist das deiner?“
    Christian deutete ein Kopfschütteln an. „Ich führe ihn nur.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ist ein Job.“
    „Und kein schlechter.“ Gabriel nickte. „Was tust du hier, wenn eigentlich geschlossen ist?“
    Christians Blick wanderte zu dem bläulichen Schein, der von dem Computer in der Nische ausging. Gabriel erkannte lange Zahlenreihen und verschieden hohe Stapel von Ordnern und Papieren.
    „Abrechnung, Inventur, Berichte“, antwortete Christian und winkte Gabriel, sich an einen der kleinen Tische zu setzen, rutschte dann auf den Platz ihm gegenüber.
    „Ich kann es nicht fassen, dass du hier bist“, sagte er und eine seiner Augenbrauen zuckte, bevor er Gabriels Blick auswich und seinen auf die Tischplatte konzentrierte. Für einen Moment lenkte Gabriel die Bewegung ab, mit der Christian seine Lider senkte, irritierend langsam, zögernd. Fast als scheue er sich, wieder zu Gabriel aufzusehen.
    Doch das gewohnte schmale Lächeln strafte den Ausdruck Lügen und brachte eine Ahnung des großspurigen Jungen zurück. Gabriels Herz schlug schneller, als er sich daran erinnerte, dass Christian gewohnt gewesen war, seine Selbstsicherheit wie einen Schild vor sich herzutragen.
    Kaum zu glauben, wie leicht er vergessen oder vielmehr verdrängt hatte, dass ihn Christians Mimik, dessen Gesichtszüge unzählige Nächte beschäftigt und wach gehalten hatten. Auch in späteren Jahren lernte er niemanden mehr kennen, der dazu imstande war, gleichermaßen verwegen und arrogant zu wirken. Ob es daran lag, wie Christian seine für einen Mann oder damals für einen Jungen auffällig vollen Lippen zu einer Linie zusammenpresste oder daran, dass er immer denselben linken Mundwinkel anhob, vermochte Gabriel auch jetzt nicht zu bestimmen.
    Stattdessen räusperte er sich, lenkte seinen Blick ebenfalls auf die Tischplatte und auf seine Hände, die er langsam ineinander faltete. Er würde nicht daran denken, was dieses Lächeln, was dieser Blick oder das immer ein wenig zu lange, sich stets im Nacken kräuselnde und in unterschiedliche Richtungen abstehende Haar, in einsamen Momenten für eine Bedeutung gehabt hatte.
    „Warum sollte ich nicht hier sein?“, fragte Gabriel und schlüpfte aus der feuchten Jacke.
    Christian sprang sofort auf, nahm sie ihm aus der Hand und hängte das Kleidungsstück über die Heizung.
    Seine Augen blieben an Gabriels Schultern hängen, wanderten über dessen Brust, bevor er sie rasch abwandte. Er griff in ein Regal und stellte mit geübter Bewegung zwei Gläser und eine Flasche Wasser auf den Tisch.
    „Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass du in der Großstadt Fuß gefasst hast. Nach dem Stadtleben kann es hier draußen doch nur langweilig sein.“
    Gabriel schenkte sich ein und trank. „Du bist auch hier“, bemerkte er über den Rand seines Glases hinweg.
    Christian atmete aus. „Als ob ich ein Maßstab wäre.“
    Gabriel stellte das Glas ab. „Ich hatte genug von der Stadt. Vielleicht ging mir all das auf die Nerven. Der Lärm, die Hektik, das Chaos.“
    Erneut hob sich Christians Augenbraue. „Daran merkt man, dass du lange nicht mehr hier warst. Der Ort ist gewachsen und gerade im Klinikviertel geht es regelmäßig drunter und drüber.“
    Da gestikulierte Gabriel in Richtung des Fensters und der Finsternis, die dahinter lag. „Hier? Mir scheint eher, als würden die Bürgersteige bei Einbruch der
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