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Baby-Bingo

Baby-Bingo

Titel: Baby-Bingo
Autoren: Carla und Martin Moretti
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wachsenden Druck verspüren, so steckt sie diesen bewundernswert locker weg. Sie guckt jedes Baby so verzückt an, als wäre es ein kleiner Vorbote ihres nahenden Mutterglücks. Sie lächelt schwangeren Frauen solidarisch zu. Sie ist gut drauf. Keine Eifersucht auf andere Mütter, keine Anzeichen von Frust, von Panik.
    Und ich unterstütze ihre positive Grundhaltung nach Kräften, indem ich konsequent das noch nicht vorhandene Baby in alle Planungen integriere. Wenn ich vom Urlaub im nächsten Jahr spreche, dann ist bereits die Überlegung enthalten, welche Region für ein Kleinkind geeignet sein könnte. Wenn ich von der Zukunft spreche, dann immer mit Betonung auf »wir drei«. Und auch im Ranking meiner Traumautos sind die Zweisitzer aussortiert.
    Zugegeben, dahinter steckt eine Portion Kalkül, die Hoffnung auf eine aufbauende Wirkung. Ich möchte daraus gerne den Modellfall für eine Self-fulfilling prophecy machen. Deshalb halte ich diese Strategie für moralisch durchaus legitim, um bald mit Carla erfolgreich zum Ziel zu kommen.
    Ihre Lieblingstante Rosa, die gerne Tarotkarten legt, geht da einen radikal anderen Weg. Schon mehrfach hat sie Carla den Geburtszeitpunkt und das Geschlecht ihres Babys vorausgesagt. Und lag damit bisher immer voll daneben.
    Einmal wollte sie uns sogar einen Monat lang Sexverbot erteilen, weil sie ausgerechnet hatte, dass das Kind bei der Zeugung im betreffenden Zeitraum ein Skorpion werden würde. Wie ihr geschiedener Mann. Das wollte sie uns und auch sich ersparen.
    Wie gesagt, Carla machte sich und mir keinen übermäßigen Druck. Und hätte das wohl auch weiterhin nicht getan. Doch dann passierte etwas, das alles verändern sollte. Wir saßen am Samstagabend gemütlich zusammen, als Marie anrief, Carlas beste Freundin. Was nicht ungewöhnlich ist. Die beiden telefonieren mehrmals am Tag miteinander, zu allen Tages- und Nachtzeiten. Und die Gespräche sind selten kurz. Marie ist zwei Jahre jünger als Carla und somit eine Art kleine Ersatzschwester, denn Carla ist ein Einzelkind. Die beiden kennen sich auch wirklich seit der frühesten Kindheit, verbrachten viele Urlaube gemeinsam und sind bis heute unzertrennlich. Als Carla nach München zog, dauerte es kein halbes Jahr, bis Marie aus Frankfurt folgte.
    »Freu dich, du bekommst gleich zwei Frauen«, hatte Carla mir am Anfang unserer Beziehung versprochen. Und es trifft, abgesehen von einigen wenigen exklusiven Bereichen, die Realität. Carla ist ein Teil unserer Minifamilie. Und nie-nie-nie würde Carla mit einem Mann zusammen sein, der mit Marie nicht zurechtkommt.
    Sogar äußerlich sind sich Carla und Marie ähnlich. Was allerdings bei Freundinnen nicht selten der Fall ist. Gute Freundinnen haben einen Hang dazu, sich aneinander anzugleichen und auch einen gemeinsamen Stil zu entwickeln. Während wir Männer darauf bedacht sind, uns von Freunden deutlich zu unterscheiden. Gerne haben wir auch Freunde, die uns optisch keine Konkurrenz machen.
    Im Gegensatz zu Carla, die auch vor mir längere Beziehungen hatte, gerät Marie zielsicher an die falschen Männer. Ihr Leben gleicht einer Vorabendserie. Wenn sie sich mal wieder neu verliebt, was im Abstand von etwa drei Monaten passiert, kann man davon ausgehen, dass die Beziehung in einem Desaster endet. Entweder der Typ betrügt und belügt sie. Oder er hat einen an der Waffel. Manchmal beides. Sie hat einen Hang zu Problemfällen und eine kilometerweite, magnetische Wirkung auf beziehungsgestörte Männer. Dabei sehnt sie sich nach nichts mehr als nach einer harmonischen Partnerschaft.
    Vor vier Monaten, als sie einen gewissen Michael kennenlernte, dachten wir deshalb, wir müssten uns den Namen erst gar nicht merken. Was sich nun als Fehleinschätzung erweist. Denn Michael wird in die Geschichte eingehen. Als der Mann, der Marie in Rekordzeit zu einer Schwangerschaft verhalf, obwohl das Thema Kinderkriegen bei ihr gar nicht ganz oben auf ihrer To-do-Liste stand. Damit bestätigt sich der Spruch meiner Großmutter, die sagte: »Man kriegt immer das, was man gar nicht will.« Eine Lebensweisheit, die mir damals als Sechzehnjähriger nicht weiterhalf, weil ich unbedingt ein Moped wollte – und sonst gar nichts.
    Ich erfahre von Maries Mutterglück erst mit zweistündiger Verspätung, als Carla von der Telefonkonferenz ins Wohnzimmer zurückkommt. Verheult und in einem emotionalen Zustand, in dem ich sie noch nie erlebt habe. Denn sie musste am Telefon einen Spagat leisten, der fast
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