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Babettes Fest

Babettes Fest

Titel: Babettes Fest
Autoren: Tania Blixen
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Glückwünsche erstarben ihnen auf den Lippen, und die zwei frommen Frauen schämten sich ihres Schweigens.
Während der folgenden Tage eröffneten sie ihren Freunden die Nachricht mit fröhlicher Miene, doch es tat ihnen gut, als sie sahen, wie die Gesichter ihrer Freunde beim Zuhören traurig wurden. Die Gemeinde empfand, daß niemand Babette einen Vorwurf machen konnte: Vögel streben ins Nest zurück und Menschenkinder in ihr Geburtsland. Doch vergegenwärtigte sich die gute und getreue Dienerin, daß sie mit ihrem Weggang aus Berlevaag viele alte und bedürftige Leute in einer Notlage zurücklassen würde? Die kleinen Schwestern würden nun keine Zeit mehr für die Kranken und Mühseligen haben.
Wahrlich, wahrlich, Lotterien waren Teufelswerk. Schließlich traf denn auch das Geld ein, durch Firmen in Kristiania und Berlevaag angewiesen. Die beiden Damen halfen Babette beim Zählen und gaben ihr ein Kästchen zur Aufbewahrung. So machten sie eigenhändige und recht intime Bekanntschaft mit den fatalen Papierfetzen.
Sie wagten nicht, Babette danach zu fragen, wann sie abreisen wollte. Vielleicht bestand doch Grund zu der Hoffnung, daß sie noch über den fünfzehnten Dezember bliebe.
Die Schwestern waren sich nie ganz klar darüber gewesen, wieviel die Köchin von ihren Privatgesprächen auffing oder gar verstand.
Deshalb waren sie überrascht, als Babette an einem Septemberabend ins Wohnzimmer kam, bescheidener und zurückhaltender, als sie sie je gesehen hatten, und sich eine Vergünstigung erbat. Sie bitte darum, sagte sie, daß man sie am Geburtstag des Propstes ein Festessen kochen lasse.
Die Damen hatten nicht beabsichtigt, überhaupt ein Essen zu geben. Ein karger kalter Imbiß mit einer Tasse Kaffee war die aufwendigste Mahlzeit, zu der sie jemals einen Gast gebeten hatten. Aber Babettes dunkle Augen waren so eifrig und flehend wie die eines Hundes, und sie erklärten sich mit ihrem Wunsch einverstanden. Das Gesicht der Köchin leuchtete auf.
Doch hatte sie noch mehr vorzubringen. Sie wolle, sagte sie, dieses eine Mal ein französisches Diner kochen, ein echtes französisches Diner. Martine und Philippa blickten einander an. Der Gedanke war ihnen nicht geheuer; sie merkten, daß ihrer Fassungskraft entzogen war, was er in sich schließen mochte.
Indessen fühlten sie sich gerade von der Seltsamkeit des Ansinnens entwaffnet. Sie hatten keine Einwände zur Hand gegen diesen Vorschlag, ein echtes französisches Diner zu kochen. Babette seufzte glücklich, ging aber immer noch nicht. Sie hatte noch eine Bitte vorzutragen. Die Damen sollten ihr erlauben, bat sie, daß sie das französische Essen von ihrem eigenen Geld bezahle.
«Nein, Babette!» riefen die Damen aus. Daß sie sich so etwas einfallen lassen könnte! Sie werde doch nicht etwa glauben, daß sie sie ihr teures Geld für Essen und Trinken ausgeben ließen – und noch dazu für sie. Nein, Babette, das komme nicht in Frage.
Babette trat einen Schritt nach vorn. Es war etwas Fürchterliches in der Bewegung, wie im Steigen einer Welle. War sie so nach vorn geschritten, 1871, und hatte eine rote Fahne auf die Barrikade gepflanzt? Sie begann eine längere Rede in ihrem krausen Norwegisch, mit klassischer französischer Beredsamkeit; ihre Stimme war wie Gesang.
Meine Damen! Hatte sie auch nur einmal, in all den zwölf Jahren, um einen Gefallen gebeten? Nein! Und warum, nicht? Ach, meine Damen, Sie, die Sie tagtäglich Ihre Gebete sprechen, können Sie sich vorstellen, wie einem Menschenherzen zumute ist, das niemals etwas bitten darf? Worum hätte Babette denn auch schon bitten sollen? Um nichts!
Heute abend hatte sie eine Bitte, so recht aus Herzensgrund. Fühlen Sie denn nicht, meine Damen, daß es Ihnen ansteht, Babette diese Bitte zu gewähren, ebenso freudig, wie der liebe Gott Ihnen Ihre Bitten gewährt hat?
Eine Weile sagten die Damen nichts. Babette hatte recht: es war ihre erste Bitte in den zwölf Jahren; sehr wahrscheinlich würde es ihre letzte sein. Sie ließen sich die Sache durch den Kopf gehen. Recht besehen, sagten sie sich, war ihre Köchin inzwischen besser gestellt als sie selber, und ein Abendessen konnte einer Person nicht allzuviel ausmachen, die zehntausend Francs besaß.
Ihre schließlich gegebene Zusage veränderte Babette vollständig. Sie sahen, daß sie als junge Frau schön gewesen sein mußte. Und sie fragten sich, ob nicht vielleicht sie selber in diesem Augenblick erst, zum allerersten Mal, in Babettes Vorstellung die
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