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Babettes Fest

Babettes Fest

Titel: Babettes Fest
Autoren: Tania Blixen
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Ergebnis seines Besuchs in Fossum und drückte in ihren Briefen der Tante ihre Dankbarkeit aus. Sie wußte nicht, aufweichen seltsamen, gewundenen Wegen ihr Sohn seinen erfreulichen moralischen Standpunkt erreicht hatte.
Der ehrgeizige junge Offizier lenkte bald die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten auf sich und wurde ungewöhnlich rasch befördert.
Man schickte ihn nach Frankreich und Rußland, und bei seiner Rückkehr verheiratete er sich mit einer Hofdame der Königin Sophia.
In diesen hohen Gesellschaftskreisen bewegte er sich mit Anmut und Selbstverständlichkeit, zufrieden mit seiner Umwelt und mit sich selber. Im Laufe der Zeit zog er sogar Nutzen aus gewissen Redewendungen und Gedankenverbindungen, die sich ihm damals im Hause des Propstes eingeprägt hatten, denn Frömmigkeit war zur Zeit bei Hofe in Mode.
Im gelben Haus in Berlevaag lenkte Philippa zuweilen das Gespräch auf den hübschen, schweigsamen jungen Mann, der so plötzlich aufgetaucht und so plötzlich wieder verschwunden war. Ihre ältere Schwester wußte darauf immer freundlich zu antworten – mit einem ruhigen und hellen Gesicht – und ließ die Unterhaltung auf andere Gegenstände übergehen.

3. Philippas Liebhaber

Ein Jahr darauf kam eine noch bedeutendere Persönlichkeit als Leutnant Löwenhjelm nach Berlevaag.
Der große Sänger Achille Papin aus Paris hatte eine Woche lang an der Königlichen Oper in Stockholm gastiert und dort wie überall das Publikum hingerissen. Eines Abends hatte ihm eine Dame des Hofes, die von einem Roman mit dem Künstler träumte, die wilde, großartige Landschaft Norwegens geschildert. Seine eigene romantische Natur wurde durch die Erzählung angesprochen, und er nahm seinen Weg zurück nach Frankreich entlang der norwegischen Küste.
Doch in der majestätischen Umgebung fühlte er sich klein; er hatte niemanden, mit dem er sprechen konnte, und versank in Melancholie, in der er sich als alten Mann empfand, am Ende seiner Karriere – bis er an einem Sonntag, da ihm nichts Besseres einfiel, in die Kirche ging und Philippa singen hörte.
Da wußte und verstand er alles in einem einzigen Augenblick. Denn hier waren die schneeigen Gipfel, die wilden Blumen und die weißen nordischen Nächte in die ihm geläufige Sprache der Musik transponiert und dargebracht in der Stimme einer jungen Frau. Wie Lorens Löwenhjelm hatte er eine Vision.
Allmächtiger Gott, dachte er, deine Macht ist ohne Ende und deine Barmherzigkeit reicht bis in Wolkenhöhen. Das ist ja eine Opernprimadonna, die Paris zu ihren Füßen sehen wird.
Achille Papin war zu jener Zeit ein schöner Mann von vierzig Jahren mit schwarzem Lockenhaar und einem roten Mund. Die Vergötterung landaus landein hatte ihn nicht verdorben; er war ein gutherziger Mensch und ehrlich gegen sich selbst.
Er ging geradewegs zu dem gelben Haus, nannte seinen Namen – der dem Propst nichts sagte – und erklärte, er halte sich aus Gesundheitsgründen in Berlevaag auf und werde sich in dieser Zeit glücklich schätzen, die junge Dame als Schülerin zu unterrichten.
Die Pariser Oper erwähnte er nicht, sondern verbreitete sich darüber, wie herrlich Fräulein Philippa in der Kirche werde singen können, zur Ehre Gottes.
Einen Augenblick vergaß er sich. Als der Propst nämlich fragte, ob er römisch-katholisch sei, antwortete er wahrheitsgemäß, und der alte Pfarrherr, der nie einen leibhaftigen Katholiken gesehen hatte, verfärbte sich ein bißchen. Indessen vergnügte es den Propst, daß er französisch sprechen konnte; es erinnerte ihn an seine Jugendzeit, als er die Schriften des großen französischen Lutheraners Lefèvre d’Etaples studiert hatte.
Und da niemand Achille Papin lang widerstehen konnte, wenn er sein Herz wirklich an eine Sache gehängt hatte, gab der Alte schließlich seine Zustimmung und bemerkte seiner Tochter gegenüber: «Gottes Wege laufen übers Meer und durchs Schneegebirg, wo ein Menschenauge keine Spur gewahrt.»
So fanden sich also der große französische Sänger und die junge Anfängerin aus Norwegen zur Arbeit zusammen. Achilles Erwartung steigerte sich zur Gewißheit, die Gewißheit zur Begeisterung. Er dachte: Das war ein Irrtum, als ich glaubte, ich würde alt.
Meine größten Triumphe liegen noch vor mir. Die Welt wird noch einmal an Wunder glauben, wenn wir zwei zusammen singen.
Nach einiger Zeit konnte er sein Wunschbild nicht länger für sich behalten. Er erzählte Philippa davon.
Wie ein Stern würde sie aufgehen, sagte er ihr,
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