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Ausritt im Park

Ausritt im Park

Titel: Ausritt im Park
Autoren: Robert Bringston
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gewöhnen, von einem fremden Mann angezogen zu werden. Warum sollte ich wie eine Puppe stocksteif dastehen und Anweisungen geben, welche Strümpfe ich zu welcher Hose mit welchem Hemd und dem passenden Gehrock heute bevorzugen würde? Schließlich war ich erwachsen und im Besitz von zwei gesunden Händen.
    Frederik hatte es daher schon frühzeitig, natürlich ungern und unter demütigem Protest bei meinem Vater, aufgegeben, mir beim Ankleiden helfen zu wollen.
    Dafür musste ich ihm versprechen, wenigstens sein Frühstück nicht kalt werden zu lassen, oder ganz ohne zu essen schon früh morgens aus dem Haus zu schleichen, wie ich es früher oft gemacht hatte.
    Ich beeilte mich nun und war kurz darauf im Frühstückssalon des Hauses an meinem angestammten Platz. Die Morgenzeitung lag frisch gebügelt auf der rechten Seite des Tisches. Auch ein Relikt aus alten Zeiten, aber diese ausgefallenen Eigenarten gehörten nun einmal zu diesem Haus.
    Meine Mutter war schon früh gestorben. Vater und Frederik hatten versucht, mich zu einem wohlerzogenen jungen Mann der feinen Gesellschaft von London zu erziehen. Ich hatte es ihnen nicht immer leicht gemacht. Vor allem Frederik war dabei die Hauptaufgabe zugefallen, weil Vater häufig schon früh am Tag aufbrach und ebenso oft erst spät in der Nacht zurückkam. Als kleiner Junge hatte ich dann morgens auf der großen Freitreppe im Haus gesessen und zugesehen, wie der Hausdiener die letzten Staubkörnchen von seiner Uniform bürstete.
    »Machs gut, Junge. Sei brav und ärgere Frederik nicht.« Diese zwei Sätze waren an vielen Tagen das Einzige, was ich von meinem Vater zu hören bekam. Ich versuchte wirklich, brav zu sein. Aber es klappte eben nicht immer.
    Das leise Klappern des Geschirrs auf einem Servierbrett kündigte den Hausdiener an. Geräuschvoll hörte ich ihn das Tablett im Vorraum auf die Anrichte stellen. Die schwere Eichentür schwang auf. Mir leicht schlurfendem Gang betrat er den Salon.
    Ein alter Mann mit gebeugtem Rücken kam mit einem höflichen Lächeln auf mich zu. Seine Augen strahlten zufrieden, als er mich am Tisch sitzen sah.
    Wie immer saß sein schwarzer Anzug tadellos. Der enge, weiße Kragen wie immer hoch geschlossen. Ein dunkelrotes Seidentuch mit dem Wappen der Wilkins hing über dem linken Unterarm. Die wenigen, grauen Haare waren glatt nach hinten gekämmt.
    »Guten Morgen, junger Herr. Habt Ihr wohl geruht?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er das kostbare Familienporzellan und stellte Tasse, Teller und eine silberne Kanne mit zittrigen Händen auf den Tisch. Der Duft von frischem englischen Tee erfüllte den behaglich eingerichteten Raum. Auf weiteren kleinen Tellern fanden sich getoastetes Brot und mehrere Sorten Marmelade.
    »Ich wünsche dem Herrn einen guten Appetit. Möchtet Ihr auch heute wieder ausreiten?«
    »Ja bitte, Frederik. Sag dem Stallburschen, dass er mein Pferd sattelt. Er soll sich auch noch einmal den linken Vorderhuf ansehen. Das Eisen scheint nicht mehr richtig zu sitzen.«
    »Wie Ihr wünscht, mein Herr.« Er ging zur Tür, verbeugte sich noch einmal und schloss sie leise hinter sich.
    Ich hatte Frederik nach dem Tod meines Vaters geerbt, wie ich zu sagen pflegte, ebenso wie dieses Haus. Seit einigen Jahren bewohnten wir es nun schon alleine. Die Stallburschen und übrigen Bediensteten lebten in einem anderen Flügel des weitläufigen Gebäudes. Im Haupthaus lebten nur er und ich. Manchmal schien er mir bereits älter als dieses ehrwürdige Haus. Aber ohne ihn würde es noch einsamer werden. Wir hatten uns aneinander gewöhnt. Er war die einzige lebende Verbindung zu meiner Jugend. Nur von ihm kannte ich die tollsten Geschichten und Abenteuer über meinen Vater. Nur er wusste, wie er wirklich gewesen war.
    Ich ließ mir Zeit beim Frühstück. Nicht nur, um Frederik einen Gefallen damit zu tun. Es war der ruhigste Augenblick des Tages. Das Knistern des frischen Brotes beim Abbeißen und das leise Rascheln der Zeitung waren die einzigen Geräusche im Raum.
    In dem Bericht eines begeisterten Journalisten konnte man lesen, dass ein gewisser James Watt eine Maschine erfunden hatte, die mit Dampfkraft die Arbeit von vielen Hundert Menschen ersetzen konnte. Schon bald sollten auch Kutschen nicht mehr von Pferden, sondern von Dampfrössern gezogen werden. Die Welt wurde immer verrückter. Ich legte die Zeitung verärgert zur Seite.
    Niemals würde ich auf ein gutes Pferd verzichten wollen. Artos, mein brauner Vollblüter,
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