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Ausgeträumt

Ausgeträumt

Titel: Ausgeträumt
Autoren: Charles Bukowski
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Mein gefälschter Dalí fiel von der Wand. Der mit der geschmolzenen Uhr.
Tommy sah zu mir hoch. Eine unförmige Masse, wuchtig wie der Grand Canyon.
»So«, sagte ich, »du bist jetzt der Elefant, und McKelvey ist der Elefantenboy – kapiert?«
»Hä?«
Ich warf McKelvey einen Blick zu, »Los, mach schon! Steig auf!«
»Spinnst du, Belane?«
»Wer weiß. Wahnsinn ist relativ. Wer bestimmt, was die Norm ist?«
»Weiß ich doch nicht«, sagte McKelvey.
»Steig endlich auf!«
»Schon gut, schon gut. Aber so’n Zoff hat mir bis jetzt noch keiner gemacht, wenn sein Mietvertrag abgelaufen war.«
»Rauf mit dir, du Arschloch.«
McKelvey kletterte auf Tommys Rücken. Hatte große Mühe, das rechte Bein drüberzukriegen. Riß sich fast den Arsch auf.
»Gut«, sagte ich. »Also, Tommy, du bist der Elefant, und du trägst McKelvey auf dem Buckel den Flur runter und in den Fahrstuhl rein. Auf gehts.«
Tommy kroch in Richtung Tür.
»Belane«, sagte McKelvey, »das wirst du mir büßen. Ich schwör’s beim Schamhaar meiner Mutter.«
»Wenn du dich nochmal mit mir anlegst, McKelvey, stopf ich dir den Schwanz in den Müllschlucker.«
Ich machte die Tür auf, und Tommy kroch mit seinem Elefantenboy den Flur runter. Als ich die Luger einsteckte, knisterte etwas in der Innentasche meiner Jacke. Ein zerknülltes Stück Papier. Ich nahm es heraus. Es war das Ergebnis der Theorieprüfung, die ich hatte ablegen müssen, um meinen Führerschein verlängert zu kriegen. Das Blatt war voll von roten Strichen. Ich hatte nicht bestanden. Ich zerknüllte es, warf es über die Schulter und folgte meinen beiden Freunden. Als wir am Lift waren, drückte ich auf den Knopf.
Ich summte was aus »Carmen«, und urplötzlich fiel mir etwas ein, das ich vor langer Zeit mal in der Zeitung gelesen hatte. Es war um Jimmy Foxx gegangen, den man tot in einer billigen Absteige aufgefunden hatte. Nach all den Home-Runs. Eine Leiche zwischen Kakerlaken. Der Lift kam, und als die Tür aufging, gab ich Tommy einen Tritt. Er kroch mit McKelvey auf dem Rücken rein. Drei Leute standen drin und lasen Zeitung.
Sie lasen weiter. Der Lift fuhr abwärts.
Ich nahm die Treppe. Ich hatte fünfzehn Kilo Übergewicht und brauchte Bewegung.
Ich zählte 176 Stufen, dann war ich unten. Am Zigarettenstand neben dem Eingang besorgte ich mir eine Zigarre und die Turfzeitung. Hinter mir hörte ich den Fahrstuhl. Ich ging zielstrebig durch den Smog. Meine Augen waren blau, und meine Schuhe waren alt, und niemand liebte mich. Aber ich hatte was zu tun. Ich war Nicky Belane, Privatdetektiv. Dummerweise landete ich am Nachmittag bei den Pferderennen, und am Abend betrank ich mich. Trotzdem war es keine verplemperte Zeit: Ich strengte meinen Grips an und sortierte die Fakten. Ich war voll drauf. Jeden Augenblick würde ich alles auf der Reihe haben. Klar.

6
    Am nächsten Tag, risikofreudig wie ich bin, ging ich wieder in mein Büro. Was ist schließlich ein Schnüffler ohne Büro?
    Ich stieß die Tür auf – und wer saß hinter meinem Schreibtisch? Nicht Celine. Nicht der Red Sparrow. McKelvey.
»Guten Morgen, Belane«, sagte er mit einem süßlichen, verlogenen Lächeln. »Alles im Sack?«
»Warum fragst du? Willst du mir vielleicht dran?«
»Nee danke.«
Dann kratzte er sich an seinem. Und gähnte.
»Tja, Nicky, mein Junge … irgendein mysteriöser Wohltäter hat deine Miete für ein Jahr im voraus bezahlt.«
Lady Death, sagte eine Stimme in meinem Kopf. Sie treibt ihre Spielchen mit dir.
»Jemand, den ich kenne?« fragte ich.
»Ich hab bei der Ehre meiner Mutter geschworen, daß ich’s für mich behalte.«
»Bei der Ehre deiner Mutter? Die hat schon mehr Truthahnhälse eingetütet als der Metzger an der Ecke.«
McKelvey stemmte sich hoch.
»Beherrsch dich«, sagte ich, »oder ich mach dich zur Schnecke.«
»Reit ja nicht auf meiner Mutter rum!«
»Wieso nicht? Die Hälfte aller Kerle in der Stadt hat’s schon gemacht.«
McKelvey kam hinterm Schreibtisch vor.
»Noch einen Schritt«, sagte ich, »und du kriegst nur noch Luft durch den Arsch.«
Er blieb stehen. Ich bin zum Fürchten, wenn ich sauer bin.
»Also«, sagte ich, »dann mal raus damit. Dieser Wohltäter – es ist ne Frau, hab ich recht?«
»Ja. Ja. So was Heißes hab ich noch nie gesehn.«
Er hatte einen glasigen Blick. Aber den hat er ja immer.
»Weiter, Mac. Komm schon, laß hören …«
»Ich kann nicht. Ich hab’s versprochen. Bei der Ehre meiner Mutter.«
»Ach, Mensch«, seufzte ich. »Na schön, dann
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