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Aus der Spur

Aus der Spur

Titel: Aus der Spur
Autoren: Gregory Smith
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viel Zeit? Wieso bist du nicht bei der Arbeit? «
    » Es ist mitten in der Nacht, Mutter. Jedenfalls für alle anderen außer dir. Sogar böse Menschen brauchen ihren Schlaf. « Die Nachtschicht war Chang gerade recht. Da musste er sich nicht mit so vielen Leuten abgeben, und schlafen konnte er sowieso nicht.
    » Warum hast du immer Nachtschicht? Wirst du auch bald gefeuert, wie damals in New York? «
    » Ich wurde nicht gefeuert, Mutter. Ich habe die New Yorker Polizei freiwillig verlassen, und sie haben mir geholfen, hier in Delaware neu anzufangen. Es war das Beste so. Da waren wir uns alle einig. « Besser jedenfalls, als ins Gefängnis zu wandern, dachte Chang. Aber das ging sie nichts an.
    Jedes Mal dieselben Fragen. Bei jedem Besuch dasselbe Spiel, dieselbe Verachtung, wie eine Endlosschleife. Die alte Frau schaffte es mühelos, Chang seine vierzig Jahre vergessen und ihn von einem 1 , 97 m großen Kerl wieder zu einem kleinen Kind zusammenschrumpfen zu lassen.
    Sie rief in ihm immer die Erinnerung daran wach, wie sich die anderen chinesischen Kinder nach Changs erstem Wachstumsschub einen ungeheueren Spaß daraus gemacht hatten, » Fang den Wasserbüffel « zu spielen. Von Selbstverteidigung hatte er damals keine Ahnung gehabt. Für gewöhnlich hatte ihn eines der kleiner gewachsenen Kinder so lange getriezt, bis er angefangen hatte, zurückzuschlagen. Dann waren die übrigen hinterrücks über ihn hergefallen. Wenn er versucht hatte wegzulaufen, hatten sie ihn wie ein wildes Tier gehetzt. Früher oder später war er unweigerlich hingefallen, normalerweise in irgendeiner Seitengasse, völlig erschöpft und außerstande, sich zu wehren.
    Wenn er nach solchen Vorfällen nach Hause gehumpelt war, mit Schrammen und blauen Flecken übersät, hatte ihm seine Mutter stets erklärt, dass seine Feigheit der Familie Schande bereitete. Jahrelang hatte er ihr das geglaubt.
    » Du bringst Schande über die Polizei, genau wie über deine Familie. «
    » Mutter, ich bitte dich. Nicht heute. Ich habe Onkel Tuens Mörder gefunden und dafür gesorgt, dass er seine gerechte Strafe bekommen hat. Daran erinnerst du dich doch wohl. «
    Daran konnte sie sich tatsächlich erinnern, genau wie an manche andere Dinge: » Wegen dir hat dein Vater das Geschäft verkauft. Du bist ihm nicht nachgefolgt wie ein guter Sohn. Nein, du wolltest die Vergangenheit ändern! Tuen war tot, wir aber noch lebendig! Das Geschäft war lebendig, aber du hast gegen diese Bande gekämpft. Wir mussten weglaufen und haben das Gesicht verloren. « Ihre dunklen Augen glühten. Mit der Präzision eines Shaolinmeisters traf sie all seine Schwachpunkte.
    » Du glaubst doch an das Schicksal, Mutter. Warum kannst du dann nicht akzeptieren, was passiert ist? «
    » Du meinst dasselbe Schicksal, das dich das weiße Katzengesicht hat heiraten lassen? «
    Changs Ehe hatte nicht lange gehalten. Colleen war es nie gelungen, sich ein dickes Fell zuzulegen. Chang ignorierte den plötzlichen, stechenden Schmerz in seinem Magen. Er hatte sich mit der Lüge angefreundet, dass allein seine Mutter Colleen vertrieben hätte.
    » Colleen ist weggezogen. « Chang war müde, aber Schlaf war nicht immer erholsam.
    » Du riechst wie ein Amerikaner. «
    » Kümmert sich Shu darum, dass du deine Medikamente nimmst? «
    » Die Medizin wirkt nicht. Ich sage Shu, dass er gefeuert ist. Er hört nicht. Du hörst auch nie. Vielleicht hast du das von mir. « Hätte sie jemals gelächelt, dann wohl in diesem Moment.
    Changs Pager piepste. Er warf einen Blick auf das Display, das den Code für » Mord « anzeigte.
    » Ich muss los, Mutter. Aber ich komme nächste Woche wieder. « Es war ein guter Vorwand, um sich zu verabschieden.

Kapitel 2
    Fruchtfleisch
    Chang brachte seinen blauen Crown Victoria auf dem Behindertenparkplatz vor einem kleinen Supermarkt in Wilmington zum Stehen. Der Tatort, ein 7 -Eleven, befand sich nicht weit von der Union Street.
    Eigentlich war die Mordfrequenz in Delaware um einiges überschaubarer als in New York. Zumindest war das bis vor Kurzem so gewesen. Chang nahm seine Kamera und stieg aus dem Streifenwagen.
    Er duckte sich unter dem gelben Absperrband hindurch und ignorierte die Blicke, die ihm folgten. » Das ist der größte Chinese, den ich je gesehen habe! « , sagten sie.
    Im Laden wartete ein Beamter der örtlichen Polizei auf ihn. Der Junge konnte nicht älter als einundzwanzig sein. Seine Zähne waren so weiß, dass sie vermutlich gebleicht waren. »
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