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Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)

Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)

Titel: Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
Autoren: Ulrike Duprée
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verließ Vell ihr Exil, um
eine tägliche Verabredung einzuhalten. Denn Egan wartete,
sowie jeden Abend und sie musste zurück sein, bevor die
Sonne unterging. Dabei nahm sie wie immer die Abkürzung
zum alten Brunnen. Er lag direkt auf ihrem Weg und war
ein willkommener Platz zum Verweilen. Schon von weitem
sah sie die steinernen Götter und fühlte, dass ihre Trübsal
gegangen war. In früheren Epochen hatten hier Gartenfeste
und Zeremonien
stattgefunden.
Doch
diese Tage waren
längst
vorüber.
Heute
waren
die
Statuen
mit
Moos
überwachsen
und
der
Brunnen
sammelte
nur
noch
Regenwasser. In der Mitte thronte der Herr aller Götter,
Affines, der mächtige Schöpfer des Lebens. Und neben ihm
standen seine Söhne Caligo
und
Ilion.
Sie waren
als
Menschen dargestellt, wie in den alten Tempeln. Affines
schmückte das Haupt eines Löwen. Und Ilion zu seiner
Linken
war
fast
nackt
und
hatte
den
Körper
eines
athletischen
Kriegers.
Sein
Bruder
Caligo dagegen,
war
unansehnlich, ja regelrecht abstoßend. Als Kind hatte sie
sich immer vor dieser Statue gefürchtet. Er hatte zwar ein
Gesicht,
jedoch
keine
Augen
und
sein
Schädel
war
vollkommen kahl. Doch je länger man ihn ansah, desto
freundlicher
wirkte sein
Gesicht
und desto friedlicher
erschien ihr die Vorstellung, von ihm beschützt zu werden.
.
Aber so gerne Vell hier verweilte, länger konnte sie heute
nicht bleiben. Es dämmerte bereits. und ihr blieb nicht viel
Zeit bis zum Abendessen. Also raffte sie ihr Kleid und lief
über den Kiesweg zum Stall. Er lag nur wenige Minuten
entfernt. Schon von weitem hörte sie die Hühner gackern
und eine frisch gepfiffene Melodie. Diesmal kam sie nicht
aus der Scheune, sondern führte sie direkt auf den Innenhof.
Dort tummelten sich fette Hennen um einen rothaarigen
Jungen. Er war schmächtig, von schlaksiger Gestalt und
ausgemergelt wie ein Leichenhemd. Scheinbar hatte Egan
sie nicht bemerkt. Sie kletterte durch den Zaun und schlich
sich heimlich an ihn heran.
„ Ich bin‘s“, verkündete sie und tippte ihm von hinten die
Schulter.
Egan erschrak, so wie immer. „ Vell! Ich dachte schon du
kommst nicht mehr!“ Sein bleiches Gesicht zog ein Grinsen
und er reichte ihr einen Korb voller Eier. „ Hier zähl mal. Die
sind frisch aus dem Stall“
„Es sind zwanzig“, schloss Vell nach kurzem Blick, „ und sie
sind groß.“
„Ja, aber heute Morgen waren es noch siebenundzwanzig. Wie
es scheint haben wir einen Eierdieb.“
„Sicher, dass du es nicht warst?“, scherzte sie.
„Wo denkst du hin? Ehrliches Essen muss ehrlich verdient
sein. Und diesen Dieb werde ich noch erwischen!“
Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn
und rieb seine Nase. Seit einem Jahr wuchs ihm sogar etwas
Bart, der ihm wie Kükenflaum aus dem Gesicht sprießte. „Soll ich dir mit den Hühnern helfen?“
„Nein, ich bin sowieso bald fertig.“
„Und was ist mit meinem Buch? Bist du damit auch schon
fertig?“
„So einigermaßen.“
„Was soll das heißen, so einigermaßen?“
„Ich hab mir die Bilder angesehen, und zwar alle.“
„Oh Egan , aber es ist wirklich ganz leicht. Und wir haben
solange dafür geübt.“
„Hab eben wenig Zeit“, erwiderte er achselzuckend, „ wer
essen will, muss arbeiten. Und wie du weißt kann ich eine
Menge essen. “
„Und was ist an deinem freien Tag? Da kannst du doch tun
was dir gefällt, oder?“
„ Ich mag Märchen eben am liebsten, wenn du sie vorliest“, erklärte er, „ dann kann ich mir alles vorstellen, sogar die
hübschen Prinzessinnen.“ Er lächelte, so, dass man seine
Zahnreihen sehen konnte, auch die Spalte zwischen den
Vorderzähnen.
Vell mochte es nicht, wenn er solche Scherze machte, erst
Recht nicht, wenn sie dabei rot wurde.
„ Ach ja ? Aber du hast doch noch nie eine echte gesehen !“
Doch Egan tat, als hätte er ihren Einwand überhört. „Der Elefant hat mir auch gefallen und der Mann mit dem
lustigen Hut.“
„Das war ein Kalif. Und der Hut war ein Turban. Man wickelt
ihn um den Kopf, um sich vor der heißen Sonne zu schützen.“
„Was du alles weißt“, schwärmte er, „ man könnte meinen du
bist schon durch die ganze Welt gereist.“
„Nicht wirklich“, schloss Vell ernüchtert, „ sie lassen mich
hier ja nicht raus.“
„Ach, mach dir nichts draus. In ein paar Jahren hast du Geld
wie Heu. Und dann fahre ich dich, wohin du willst.“
„Das will ich doch hoffen“, neckte sie lächelnd, „ es ist
immerhin schwer, gutes Personal zu
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