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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara
Autoren: Anna Seghers
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Schultern. Er schlief vielleicht schon, da kamen Schritte den Kai entlang, dann den Steg, das war Kedennek.    Andreas blinzelte. Kedennek saß gerade und aufrecht und sah gleichmütig herunter in Andreas' Gesicht. Aber obwohl Kedennek genau so aussah wie immer, merkte Andreas doch, daß etwas an Kedennek verändert war. Obwohl er nicht wußte, woran es lag, kam es ihm doch sonderbar vor, daß sich etwas an Kedennek veränderte. Er richtete sich ein wenig hoch und stützte sich auf einen Ellenbogen.    „Manche haben gesagt, daß er kommt", sagte Kedennek, „und manche haben gesagt, daß er nicht kommt, jetzt ist er also gekommen." – „Ja", sagte Andreas, „er ist gekommen." – Kedennek fuhr fort: „Jetzt hören sie mal auf mit ihren Plänen, das ist gut. Jetzt wird es ernst, das kann man daran sehn, daß er gekommen ist." – „Ja", sagte Andreas, „das ist gut." Er fuhr fort, Kedennek aufmerksam ins Gesicht zu sehen. Aus irgendeinem Grund war er beunruhigt, daß Kedennek gekommen war, um mit ihm, Andreas, über etwas zu reden.    „Es war immer schlecht. Seit zwei Jahren ist es noch schlechter. Alles ist heruntergegangen. Unser Anteil ist heruntergegangen, die Preise sind heruntergegangen. Seitdem alles heruntergegangen ist, haben die Leute immerzu Pläne gemacht und allerhand Hoffnungen zusammengedacht." – Nur aus einer winzigen Bewegung seiner Schultern konnte Andreas verstehen, daß die Leute, von denen er sprach, nicht irgendwelche Fremde waren, sondern daß er sich selbst unter die Leute rechnete, die allerhand Pläne gemacht und Hoffnungen zusammengedacht hatten. „Dieser Aufstand in Port Sebastian", Kedennek kniff die Augen zusammen, „da waren wir schon nach Neufundland." Andreas betrachtete Kedennek aufmerksam. Er hatte ihn noch nie so viel auf einmal sprechen hören. Das fiel Andreas aufs Herz, vielleicht, weil er unbestimmt spürte, daß für Kedennek reden soviel bedeutete, wie für jemand anders, sich zu einer unbesonnenen und folgenschweren Tat hinreißen zu lassen.    „Hull", fuhr Kedennek fort, „hat heute abend droben bei Desak den Fischern zugeredet, Boten nach St. Blé, nach Wyk und nach St. Elnor zu schikken, um alle Fischer zu einer Versammlung zusammenzubringen."    Kedenneks letzte Worte klangen nicht anders wie das übrige. Andreas richtete sich vor Erregung auf. Er saß jetzt Kedennek gegenüber. – „Die Versammlung", fügte Kedennek hinzu, „ist auf den ersten Sonntag im nächsten Monat festgesetzt." – Sie schwiegen beide eine Zeitlang, dann fing Kedennek, zu Andreas' Überraschung, von neuem, und zwar von etwas ganz andrem an.    „Früher war es auch schlecht, aber jetzt ist es noch schlechter, jetzt gibt es nur eine Gesellschaf, die wohnt in Port Sebastian, aber man kann sie nicht finden. Früher gab es einen einzigen Reeder, das war besser, den konnte man sehen, der wohnte in seinem Hause, drunten, wo jetzt der Kai ist. Wie ich so alt war, wie jetzt mein Kleiner, da gab es einen Reeder, der hieß Lukedek, der ließ das ganze Dorf nach seiner Pfeife tanzen. Es war aber damals in unsrem Dorfe einer, der hieß Kerdhuys, dem war es zu bunt, der ging hin, wo dieser Lukedek wohnte, ging in sein Haus, die Treppe hinauf, in die Stube, in der er saß, und fragte: ,Gebt Ihr mir meinen Anteil oder nicht?' Da sagte Lukedek ,nein', da stieß Kerdhuys sein Messer in ihn hinein, genau dahin –", Kedennek tippte mit dem Zeigefinger auf einen bestimmten Punkt von Andreas' Jacke. „Eine Zeitlang lag er drunten in den Klippen, Leute vom Dorf halfen ihm, schließlich fingen sie ihn doch und hingen ihn auf. Aber dieser Kerdhuys, der wußte doch wenigstens, wo er sein Messer hinsetzte." – Kedennek brach plötzlich ab und schwieg. Man konnte es seinem Gesicht ansehen, daß er nichts mehr hinzuzusetzen, daß er alles Reden von sich weggeschoben hatte, wie ein Satter einen Teller wegschiebt. Plötzlich sprang er auf den Steg. Dann drehte er sich nochmal um. „Vergiß die Eimer nicht. Komm nach." Darauf entfernten sich seine Schritte über den Kai. Andreas streckte sich wieder aus, ohne die Augen zu schließen. Der Regen hatte aufgehört, die Lichter um die Bucht herum waren ausgegangen. Quer über den Himmel gab es einen gelben, kläglichen Lichtstreifen, noch vom vergangenen Tag oder schon vom kommenden.    Der Wirt hatte Hull im Alkoven untergebracht, der zur Stube gehörte. Die Stube lag unter dem Dach über der Schenke. Desak schlief drunten im Laden.
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