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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt
Autoren: Jörg Steinleitner
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Tal gut genug war.«
    »Immerhin haben mir heut’ die Milliardäre«, merkte Nonnenmacher nicht ohne Stolz an, was widersinnig war, weil er den Geldadel, der seit Jahrzehnten alles dafür tat, die Naturschönheit des Sees durch ästhetisch waghalsige Bauten zu beeinträchtigen, insgesamt nicht riechen konnte.
    Kurz darauf saßen die drei im Streifenwagen und fuhren auf der Nordstrecke zur anderen Seeseite hinüber. Das Hotel, das sich der Scheich ausgesucht hatte, lag nicht direkt am Seeufer, sondern thronte erhaben auf einem Hang oberhalb der Stadt. Eine Abschirmung des Komplexes würde hier oben leichter fallen, hatte Sepp Kastner fachmännisch festgestellt.
    »Ich bin ganz froh, dass sich die Araber nicht da unten am See einquartieren, wo’s so saumäßig eng ist. Außerdem sind mir da droben auch weiter weg von der Seestraße mit dem vielen Verkehr.« Dann verfiel Kastner in dozierenden Tonfall: »Verkehr mag der Attentäter nämlich. Er sucht sich bevorzugt Orte aus, die von vielen Menschen frequentiert werden – Festzelt, Fußballstadion, Flohmarkt …«
    »Schon, schon«, meinte Nonnenmacher unwirsch, »aber das Gelände ist sausteil, und direkt oberhalb vom Hotel fängt der Wald an. Wenn sich ein mutmaßlicher Attentäter von da her anschleicht, dann schauen mir fei alt aus.«
    »Mir müssen das Areal halt komplett umstellen, dann ist es sicher«, versuchte Sepp Kastner seinen Chef zu beruhigen.
    »Und wie sollen wir das mit unseren paar Hanseln von der Dienststelle machen?«, blaffte Nonnenmacher den Untergebenen an und schüttelte dabei den Kopf.
    Sepp Kastner schwieg beleidigt, doch Anne Loop, die neben Nonnenmacher auf dem Beifahrersitz sitzen durfte, fragte naiv: »Ist das Hotel denn so groß?«
    »Ja, das werden schon so vier, fünf Gebäude sein«, erwiderte Nonnenmacher gewichtig. »Sogar ein Schloss gehört dazu.«
    »Jugendstil«, tönte Sepp Kastner aus dem Fond des Wagens.
    »Als ob du Gscheithaferl wüsstest, was das ist«, höhnte Nonnenmacher.
    »Zumindest weiß ich, dass es nix mit der Fußballnationalelf zum tun hat. Seit der Dings Trainer ist, ist da ja auch immer vom Jugendstil die Rede.« Nach einem Zögern fragte er: »Anne, weißt du zufällig, was das genau ist, Jugendstil?«
    »Das war eine Zeit vor etwas mehr als hundert Jahren, als man geschwungene Verzierungen und Blumendekorationen mochte«, antwortete Anne.
    »Aber warum ›Jugend‹?«, wollte Kastner wissen.
    »Keine Ahnung«, erwiderte sie und verfiel in Schweigen.
    Nach einer kurzen Pause, in der Kastner versonnen auf den See geblickt hatte, meinte er: »Soweit ich weiß, hat da in dem Schloss auch einmal die Kaiserin von Russland gewohnt.«
    »So ein Schmarren«, bügelte Nonnenmacher ihn nieder. Als Kastner daraufhin jedoch noch beleidigter als schon vorher schwieg, fügte Nonnenmacher besänftigend hinzu: »Das war eine Großfürstin, allerhöchstens.«
    »Kurt, da liegst jetzt aber, glaub’ ich, falsch, weil mir haben das in der Schule gelernt: In dem Schloss von dem Hotel, da war die Maria von Sachsen, und die hat, dafür leg ich meine Hand ins Feuer, irgendwas mit dem russischen Kaiserhaus zum tun gehabt, also jedenfalls jobmäßig oder so.«
    »Ja!« Nonnenmacher lachte anzüglich. »Wahrscheinlich einen Minijob beim Kaiser!«
    Anne Loop verzog angewidert das Gesicht. In solchen Augenblicken bereute sie zutiefst, dass sie sich von München aufs Land hatte versetzen lassen. Zwar gab es in der Großstadt auch genügend ruppige Kollegen, aber insgesamt ging es dort in Polizeikreisen etwas weltoffener zu als in dem engen Bergtal, wo man trotz der zugereisten deutschen Monetenaristokratie und der vielen Urlauber doch schon sehr im eigenen Saft schmorte. Etliche Ureinwohner, zu denen ja auch Nonnenmacher zählte, fanden, dass der Tourismus den See zwar reich gemacht habe, dass aber erstens viel zu wenige davon profitiert hätten und zweitens die Landschaft dadurch etwas von ihrer Ursprünglichkeit verloren habe. Jeder Einheimische konnte auf Anhieb mehr als eine Handvoll furchterregender Bausünden aufzählen, die man den Auswüchsen des Tourismus zu verdanken hatte. Es waren beileibe nicht nur Naturschützer, die sich ausmalten, wie der eine oder andere einst schöne Fleck im Tal wieder aussehen könnte, wenn sich ein Terrorist fände, der eine Bombe legte und alles wieder so aussähe wie früher. Aber einen derart revolutionären Gedanken auszusprechen, getraute sich in dieser Zeit nur der Kaiser des Fußballs.
    Das
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