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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon
Autoren: Ruth Thomas
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kam.
    Nathan ging in sein Zimmer, das
wunderbarerweise leer war. Er suchte das Buch, das er sich aus der Bücherei
geholt hatte, und rollte sich auf seiner Seite des Bettes zusammen, um in Ruhe
zu lesen. Gut, daß seine Brille nicht kaputtgegangen war, als Wayne sie ihm von
der Nase geschlagen hatte. Ohne Brille konnte er nicht lesen, und lesen war
seine größte Freude, das, was er am liebsten tat.
    Im Moment las er „Die Schatzinsel“. Er
verstand nicht alles, einige Wörter waren einfach zu schwierig für ihn, aber er
konnte sich in der Geschichte verlieren. Er war selbst auf dem Schiff und
erlebte die Abenteuer mit Jim Hawkins, spürte dessen Angst und Aufregung.
    Nathan war glücklich.
     
    Gegen Abend änderte sich das Wetter.
Die stechende Hitze des Tages wich einer bleiernen Schwüle. Gegen Mitternacht
war das erste Donnergrollen zu hören, und eine Stunde später stand das Unwetter
direkt über dem Haus und dem Zimmer, in dem Nathan mit seinem Bruder Gary in
einem Bett lag. Die Atmosphäre entlud sich mit entsetzlichem Getöse. Gary
wachte auf, schluchzte vor Angst und klammerte sich an Nathan. Nathan stieß ihn
von sich. „Hör auf“, schnauzte er Gary an, „der Donner tut dir nichts. Schlaf
weiter.“
    „Ich hab Angst, ich hab Angst“,
jammerte Gary.
    Nathan trat nach ihm, als Strafe dafür,
daß er Angst hatte. Mit fast unerträglichem Verlangen dachte er an die Zeit,
die sicherlich irgendwann kommen würde, wenn er ein Bett für sich ganz allein
haben würde. Ein Zimmer für sich allein.

 
    2.
     

Eine aufregende Entdeckung
     
     
     
    Am Morgen war es kühl und regnerisch.
Julia hatte schlecht geschlafen. Sie trödelte beim Anziehen und überlegte eine
Ausrede, um nicht zur Schule zu müssen.
    „Beeil dich, Trödelsuse, du kommst noch
zu spät!“ rief die Mutter.
    Betont langsam ging Julia in die Küche.
Die Mutter war noch nicht gekämmt und trug noch den Morgenrock. Ohne ihr
Make-up sah sie ganz anders aus.
    „Ich habe Kopfschmerzen“, klagte Julia,
und sie sah wirklich nicht gut aus.
    „Dein Pech“, meinte die Mutter. „Beeil
dich mit dem Frühstück und sieh zu, daß du zur Schule kommst. Auf keinen Fall
hängst du hier den ganzen Tag im Haus rum und machst mir zusätzliche Arbeit.“
    „Ich mach den Abwasch“, erbot sich
Julia. Ein beachtlicher Berg Geschirr wartete darauf, abgewaschen zu werden. „Ha-ha,
das kenne ich doch. Nein, junge Dame, du gehst zur Schule“, bestimmte die
Mutter. „Komm, jetzt mach nicht so ein Gesicht. Iß dein Frühstück, dann geht es
dir besser.“
    Julia aß ihre Frühstücksflocken, nahm
ihren Regenmantel vom Haken und ging mit schleppenden Schritten die Straße
hinunter. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie ging, nur eines war ganz sicher: In
die Schule ging sie nicht. Mrs. Henrey würde wegen der verschütteten Farbe
bestimmt böse sein, und diese Vorstellung war Julia so unerträglich, daß sie
gar nicht daran denken konnte. Das beste wäre, nie mehr in die Schule zu gehen,
überlegte sie.
    Ihr war kalt, und ihre Haare wurden
naß. Der Regenmantel hatte keine Kapuze, und sie hatte vergessen, eine
Strickjacke über das dünne Sommerkleid anzuziehen. Sie bog in eine Seitenstraße
ein, damit ihre Mutter sie auf dem Weg zur Arbeit nicht beim Schwänzen
erwischen würde. Zum Schutz vor dem Regen stellte sie sich unter einen Baum und
überlegte, was sie tun sollte.
    Da es bereits ziemlich spät war, waren
nicht mehr viele Kinder unterwegs, und die, die eilig zur Schule liefen, um
noch vor dem Läuten in ihrer Klasse zu sein, beachteten Julia nicht. Elend und
unglücklich lehnte sie sich an den Baumstamm und kämpfte mit den Tränen. Sie
hatte noch nie geschwänzt. Plötzlich bemerkte sie eine schmale Gestalt, die die
Straße entlangkam. Es war ein Kind, aber eines, das es nicht eilig hatte.
Langsam, fast ohne die Füße zu heben, kam es daher. Julia erkannte Nathan,
lange bevor er sie erkannte, und sie stellte sich mit dem Rücken zu ihm auf die
andere Seite des Baumes in der Hoffnung, daß er sie nicht sah.
    Doch gerade die Tatsache, daß sich
jemand zu verstecken versuchte, weckte Nathans Aufmerksamkeit. Das Mädchen
interessierte Nathan absolut nicht, aber ihr merkwürdiges Verhalten machte ihn
neugierig. Er blieb stehen. Regentropfen auf den Brillengläsern
beeinträchtigten seine Sicht. Doch wer sich da hinter dem Baumstamm
herumdrückte, war ihm bald klar. Die dumme Julia Winter. Leise trat Nathan
hinter sie und machte „Buuuh!“
    Da Julias
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