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Auf keinen Fall Liebe

Auf keinen Fall Liebe

Titel: Auf keinen Fall Liebe
Autoren: Marina Schuster
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gedauert, bis Faith es selbst herausgefunden hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt half sie ihrem Vater in den Semesterferien und, so oft es möglich war, auch zwischendurch in der Praxis. Sie koordinierte die Termine, erledigte die anliegenden Büroarbeiten und unterstützte ihn mit kleineren Handreichungen.
    Es bedurfte keiner besonderen Intelligenz, um zu bemerken, dass eine bestimmte Patientin immer wieder in der Praxis erschien, stets mit irgendwelchen fadenscheinigen Beschwerden. Anfangs hatte Faith sich nichts dabei gedacht, es gab schließlich viele Leute, die sich alle möglichen Krankheiten einbildeten oder wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt liefen. Doch als Faith sie eines Nachmittags in inniger Umarmung mit ihrem Vater im Untersuchungszimmer überraschte, war ihr klar, was hier vor sich ging.
    Voller Zorn stellte sie ihren Vater zur Rede, und dieser machte sich nicht einmal die Mühe, es abzustreiten.
    »Es hat nichts mit deiner Mutter und mir zu tun«, erklärte er ihr, »es ist rein körperlich. Ich liebe deine Mutter, doch ich bekomme von ihr nicht das, was ich brauche.«
    »Aber sie ist deine Patientin, du hast einen Eid geschworen«, schrie Faith ihn an. »Wie kannst du nur so etwas tun? Und hast du überhaupt eine Ahnung, was du Mom damit antust?«
    Ihr ganzes Weltbild lag innerhalb weniger Sekunden in Scherben, und auch ihre Mutter hatte sich von diesem Schock nicht wieder erholt. Sie wurde krank, verfiel immer weiter, bis sie schließlich in ein Sanatorium gebracht werden musste, wo sie kurze Zeit später starb.
    Noch am gleichen Tag hatte Faith ihr Studium hingeworfen, hatte ihre Sachen gepackt und war nach London gegangen.
    Seitdem hatte sie ihren Vater nie mehr wiedergesehen. Er hatte alles getan, um sie zur Rückkehr zu bewegen, doch sie hatte ihm nie verziehen, was er ihrer Mutter angetan hatte.
    Tränen rollten über Faiths Wangen, als sie daran dachte, wie sehr sie ihn früher geliebt und bewundert hatte.
    Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, riss sie abrupt in die Gegenwart zurück. Hastig wischte sie sich das Gesicht ab und schaute auf.
    Zwei graue Augen sahen sie forschend an.
    »Alles in Ordnung?«
    Lucian Clarkes Stimme klang weich und mitfühlend, doch sie wollte kein Mitleid, schon gar nicht von dem Mann, den ihr Vater ihr als Denkzettel vor die Nase gesetzt hatte.
    Verärgert schüttelte sie seine Hand ab, ignorierte die Wärme, die seine Berührung hinterlassen hatte, und sprang auf.
    »Natürlich ist alles in Ordnung«, erwiderte sie schroff.
    »Es tut mir aufrichtig leid für Sie, Ihr Vater war ein netter Mann«, sagte er leise.
    Ihr Ärger verstärkte sich, sie schnaubte wütend.
    »Was wissen Sie denn schon? Sie kannten ihn doch gar nicht«, fuhr sie ihn an. »Hören Sie Dr. Clarke, sparen Sie sich Ihre Worte, ich werde mich durch Ihr Mitgefühl garantiert nicht in meiner Entscheidung beeinflussen lassen.«
    Sie drehte sich um, strebte auf das Friedhofstor zu, ohne weiter auf ihn zu achten.
    Einen Moment blieb er überrascht stehen und sah ihr nach. Dann folgte er ihr, hatte sie mit wenigen, großen Schritten eingeholt. Schweigend liefen sie nebeneinander zur Villa zurück, wo bereits reger Trubel herrschte.
    In St. Albury war es üblich, dass sich die Trauergemeinde nach einer Beerdigung im Haus des Verstorbenen einfand. Besucher erschienen, brachten eine Kleinigkeit zu essen mit, hielten sich eine Weile auf, beteiligten sich an den allgemeinen Gesprächen über den Verblichenen und verschwanden dann wieder.
    Auch im Fall von Elliott Havering war das nicht anders, nur mit dem Unterschied, dass das Wohnzimmer unter dem Andrang der Trauergäste beinahe aus den Nähten zu platzen schien. Es war ein ständiges Kommen und Gehen und Faith war regelrecht erschlagen, als sie das Haus betrat.
    Polly und Molly waren bereits damit beschäftigt, sich um die Anwesenden zu kümmern, und obwohl sie keine große Lust dazu verspürte, mischte Faith sich unter die Leute. Sie begrüßte alte Bekannte und beteiligte sich höflich, aber mechanisch an den Gesprächen.
    Viele der Gäste kannten sie, seit sie ein kleines Kind gewesen war, und natürlich wurde sie mehr als einmal nach ihrem Leben als Schauspielerin gefragt. Sie sprach nicht gerne darüber, es hatte ihr noch nie gefallen, im Mittelpunkt zu stehen. Doch sie stand geduldig Rede und Antwort, denn sie spürte das ehrliche Interesse und die Herzlichkeit hinter all den Fragen.
    Schließlich wurde es Abend, und nach wie vor war kein Ende des
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