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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Autoren: Ursula Naumann
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Athene (Minerva) und Aphrodite (Venus) macht. Daß Paris Aphrodite zur Siegerin erklärt, die ihm als Lohn für eine Entscheidung zu ihren Gunsten die schönste Frau der Welt versprochen hatte, führt dann zum Raub der schönen Helena und zum langjährigen Krieg zwischen Griechen und Trojanern.
    Gardel jedoch inszenierte – zu einem Pasticchio aus Melodien von Haydn, Pleyel und dem Komponisten und Arrangeur Étienne-Nicolas Méhul – eine andere, wenig bekannte Variante des Stoffes. Sein Tanz am Rande des Kraters war nicht frivol, sondern romantisch, Friedens- und Liebeszauber in Zeiten des Krieges.
    Am 15. April, knapp drei Wochen nach seiner Ankunft in Paris, besuchte Georg Forster eine Aufführung im Theater an der Porte Saint-Martin, passenderweise in Begleitung von drei Frauen, Helen Maria Williams, Mary Wollstonecraft und der Schwester eines neuen Bekannten, Jane Christie. Als erstes Stück an diesem Abend wurde die Oper Iphigenie auf Tauris von Gluck gegeben, eine zu dieser Zeit schon anstößige Wahl. Immerhin war der Komponist ein protégé der verhaßten österreichischen Königin Marie Antoinette gewesen, der er einst in Wien Musikunterricht gegeben hatte. Nun saß sie, degradiert zur Bürgerin Capet, als Gefangene im Temple, wissend, daß ihr das gleiche Schicksal wie ihrem Ehemann drohte.
    Aber das Publikum war ohnehin nicht wegen der Iphigenie gekommen, und auch für Forster stand sie trotz der »herrlichen Musik« Glucks ganz im Schatten von Gardels spektakulärer Inszenierung, die Götter- und Hirtenwelt, höfische Prachtentfaltung und ländliche Simplizität effektvoll einander gegenüberstellte und Auguste Vestris, den primo ballerino des Ensembles, in der Rolle des Paris glänzen ließ. Cirque du Soleil anno 1793.
    Der Vorhang hebt sich über einer idyllischen Landschaft und einer unglücklichen jungen Frau. Die Nymphe Oenone ist unsterblich in den Hirten Paris verliebt, hat bisher aber keine Gegenliebe gefunden. Als sie verzweifelt nach ihm ruft, erscheint er – erscheint Auguste Vestris. Ein zauberhafter Echo- Pas-de-deux beginnt. Paris treibt sein Spiel mit der armen Nymphe, indem er ihren Ruf nachäfft, sie sucht ihn, er verschwindet, taucht anderswo wieder auf, lockt sie wieder, bis er endlich, der Sache müde, so leise nach ihr ruft, daß Oenone ihn weit entfernt glaubt und von der Bühne läuft, um ihn zu suchen. Währenddessen treibt Paris-Vestris, enfant chéri des dames , sein Spiel mit den Frauen, wirbt um eine, verläßt sie, flirtet mit einer anderen, wird von einer ganzen Gruppe verliebter Schäferinnen bedrängt …
    Das war der Beginn einer Vorstellung aus lauter Höhepunkten. Der Einzug der Götter mit allem Pomp und Prunk des Ancien Régime. Der spektakuläre Auftritt der Zwietracht, die von Flammen umzüngelt der dumpf grollenden Erde entsteigt. Begleitet von Nymphen und Amoretten, tanzt Venus leichtbekleidet auf die Bühne und nimmt ein Bad, während einige ihrer Begleiterinnen einschmeichelnde Melodien auf der Lyra zupfen. »Auf der Bühne zu zeigen, wie die Göttin der Schönheit ein Bad nimmt, so, daß der Anstand niemals verletzt wird, ist zweifellos etwas ganz Neues, aber es ist hinreißend und konnte nur einem überaus geschickten und seiner Mittel sicheren Mann gelingen«, rühmte ein Kritiker.
    Eine Handbewegung der siegreichen Göttin verwandelt die Szene auf offener Bühne in ihren heiligen Hain im zyprischen Paphos, unter jedem bosquet ein glückliches Paar. Und dann ihr letzter, größter Zauber: Venus läßt Paris in Liebe zur verschmähten Oenone entbrennen – und fliegt mit ihrem Gefolge davon.
    Das Publikum war hingerissen. »Tanz- und Dekorationskunst scheint alle ihre Erfindungen erschöpft zu haben, um einen theatralischen Zauber hervorzubringen, der nirgends in der Welt, als in Paris, und hier noch nie zuvor in dem Grade hervorgebracht worden sein kann«, schrieb Forster am nächsten Tag an seine Frau. »Es war nicht Beifallklatschen, sondern unwillkürliches Beifallschreien, was mehrmals ertönte, und wahrlich, ich konnte vor Bewunderung nicht klatschen und nicht schreien. Der jungeVestris mag ein so schlechter Kerl und aufgeblasener Narr sein, wie man ihm nachsagt, die Grazie und Eleganz seiner Bewegungen hat ihres Gleichen nicht. Alles Gefühl, seine ganze Seele ist konzentriert in seiner Kunst; der Ausdruck seines Wesens ist Tanzsinn . Die wunderbar schönen und reichen Szenen, die bezaubernden Gegenden des Bergs Ida, die Göttererscheinung aus
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