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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
Autoren: Lydia Benecke
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darzustellen: »Ich serviere dich als Speise zum Essen. Welches Nahrungsmittel bist du und wie siehst du aus?« Mit selbstsicherem Gesichtsausdruck erwidert Rodney sofort: »Ich werde die Banane genannt, und ich sehe wirklich gut aus.« »Kannst du das etwas anschaulicher beschreiben?«, fragt Cheryl. »Schäl mich«, kontert Rodney herausfordernd, womit er sowohl Cheryl als auch das Publikum zum Lachen bringt.
    Als sich Cheryl am Ende der Show für einen Kandidaten entscheiden muss, fällt ihr dies sichtlich leicht. Übers ganze Gesicht strahlend sagt sie: »Ich mag Bananen, deshalb wähle ich Kandidat Nummer eins.« Rodney lacht offensichtlich hocherfreut über seinen Sieg. Er kommt hinter der Wand hervor, strahlt Cheryl an, die sichtlich begeistert von seinem Anblick ist. Dann umarmt er sie zur Begrüßung und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Als sei sie bereits seine feste Freundin, legt Rodney den Arm um ihre Hüfte und bleibt so eng neben ihr stehen, während der Moderator verkündet, was die beiden gewonnen haben: gemeinsamen Tennisunterricht und einen Ausflug in einen großen Freizeitpark. Cheryl empfindet Rodneys stürmische Annäherung offenbar keineswegs als unangenehm. Die beiden lachen sich glücklich an und sehen aus wie ein frisch verliebtes Traumpaar.
    Was Cheryl nicht weiß: Rodney hat zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens fünf Frauen vergewaltigt und brutal ermordet. Ein achtjähriges Mädchen, das er zehn Jahre zuvor vergewaltigte und zu töten versucht hatte, überlebte nur mit sehr viel Glück schwer verletzt. All dies ahnt niemand, der den gutaussehenden, wortgewandten, charmanten Rodney als Sieger der Show zu sehen bekommt. Doch hinter den Kulissen erhaschen Cheryl und die beiden Mitbewerber einen kleinen Einblick in sein wirkliches Wesen.

    Rodney Alcala 1978 in der Show »The Dating Game«.
    Sobald er außer Sichtweite der Kameras ist, benimmt Rodney sich wie ein anderer Mensch. Wie ein Schauspieler, der auf der Bühne eine Rolle sehr überzeugend spielte, mit der er in seinem wahren Leben nicht viel gemeinsam hat. Rodney ist hinter den Kulissen einerseits eher still, andererseits fällt er anderen plötzlich ins Wort und versucht sie aufdringlich zu beeindrucken. Jed Mills, während der Show der Mitbewerber direkt neben ihm, erinnert sich später, dass Rodney auf ihn hinter den Kulissen unausstehlich und unheimlich wirkte. Er verhielt sich, als wolle er den anderen absichtlich einen Einblick in sein wahres Wesen geben. Mills beschreibt später: »Letztlich habe ich den Kerl nicht nur unsympathisch gefunden, ich wollte gar nicht in seiner Nähe sein. Er wurde immer unangenehmer und seltsamer. Das war der gruseligste Kerl, den ich in meinem Leben getroffen habe.« Diese Wirkung hat Rodney auch auf Cheryl. Sie lehnt es danach ab, ihn wieder zu treffen – was ihr wahrscheinlich das Leben rettet.
Der »wahre« Rodney
    Rodney ist sich absolut bewusst, wie sehr er auch Cheryl direkt nach der Show abschreckt. Er setzt sein Verhalten gezielt ein, um die Menschen in seiner Umgebung zu beeinflussen. Auf den ersten Blick wirkt, was er tut, widersprüchlich: Zuerst macht er bei einer Spielshow mit und legt sich charmant ins Zeug, damit eine fremde Frau ihn als Verabredung auswählt. Doch hinter den Kulissen verwandelt er sich ins genaue Gegenteil. Plötzlich verhält er sich bewusst unangenehm und verschreckt die anderen, auch seine Eroberung. Wenn man genauer hinschaut, macht sein Verhalten aber sehr viel Sinn.
    In beiden Situationen erreicht er genau das, was er gerade will. An der Fernsehshow nimmt Rodney nicht teil, weil er eine Frau kennenlernen möchte. Frauen kennenzulernen ist eine seiner leichtesten Übungen. Er weiß, dass Frauen ihn attraktiv finden, er weiß genau, was sie hören wollen. Als Berufsfotograf kann er jede Frau, die ihm gefällt, einfach ansprechen und ihr damit schmeicheln, dass er sie als Modell will. Es ist nicht das mögliche Date, das Rodney in die Sendung lockt, es ist die Sendung selbst.
    »The Dating Game« ist zu dieser Zeit überaus beliebt. Rodney möchte im Fernsehen von einem Millionenpublikum gesehen werden und dabei sein eigenes, kleines Theaterstück vorführen. Er spielt die Rolle »Rodney – unwiderstehlicher Draufgänger mit dem sympathischen Lächeln«. In seinem persönlichen Drehbuch hat er die gesamte Handlung schon entworfen: »Rodney, der Unwiderstehliche« wird in der Show nicht nur umwerfend auf die Zuschauer wirken, er wird seine Mitspieler in
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