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Auf dem Weg zu Jakob

Auf dem Weg zu Jakob

Titel: Auf dem Weg zu Jakob
Autoren: Karin Adams
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Highlights, die wunderschöne Natur hautnah zu erleben. Natürlich brauche ich dazu an meinem Reiseziel keine Reliquie, denn das, was ich suche, könnte ich durchaus auch woanders finden, aber ich mag nun mal Spanien, und der spanische Jakobsweg durchläuft so ziemlich die ganze Naturpalette, die Spanien zu bieten hat. Es gilt Hochgebirgslandschaften und flaches Tafelland zu durchqueren, klimatisch wird man mit dem immerfeuchten bis zum semiariden Iberien konfrontiert, und man trifft auf Gebiete, die geprägt sind durch extensive, großflächige Landwirtschaft, aber auch auf Gebiete, in denen auf Minifundien gewirtschaftet wird.
    Man erfährt die Einsamkeit dünn besiedelter, ländlicher Gebiete im Kontrast zu quirligen, hektischen, modernen Städten. Und auf 800 abwechslungsreichen Kilometern, einem Großteil davon auf Fuß- und Radwegen abseits des Straßenverkehrs bleibt jede Menge Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen, einmal völlig vom normalen Leben abzuschalten, die Alltagshektik hinter sich zu lassen und dabei vielleicht Schwellen zu überschreiten, Dinge wahrzunehmen, die in der heutigen Zeit sonst kaum noch Bedeutung haben, den Körper mal wieder zu fordern, und zu dem zu finden, was vielleicht wirklich wichtig ist. Eine Erleuchtung erwarte ich nicht.
    Religion? Nein, ich bin nicht fromm. Ich bin zwar in der evangelisch-lutherischen Tradition groß geworden, aber mein Konfirmationspastor hat es mit seinen langweiligen Predigten und dem altmodischen, strengen Unterricht letztendlich geschafft, dass ich der Organisation Kirche schließlich den Rücken gekehrt habe. Soll aber nicht heißen, dass ich an nichts glaube. Gott, gibt es ihn oder nicht? Die Welt ist so schlecht, da kann es doch eigentlich keinen lieben und gerechten Gott geben, oder? Ich habe aber auch nicht den Anspruch, das auf dieser Reise herauszufinden.
     
    Wenn man berufstätig ist, ist es normalerweise nicht leicht, vier Wochen am Stück Urlaub zu bekommen. Verstehen kann ich das nicht. Schließlich sollte jeder mit seinem Urlaub machen können, was er will. Es ist schließlich die persönliche Zeit des einzelnen Menschen. Und was hat ein Mensch schon, außer Zeit. Zeit ist ein einmaliges und nicht erneuerbares Gut. Etwas, das man nie zurückbekommt, wenn es einmal verstrichen ist. Zeit, etwas, dessen persönlicher Anspruch darauf den Menschen nur zu oft verwehrt wird. Jede Menge Kräfte sind stets damit beschäftigt, den Menschen das Recht auf ihre Zeit abspenstig zu machen. Immer gibt es angeblich Wichtigeres: das Telefon zu bewachen, irgendein Dokument abzutippen, eine Statistik zu ergänzen, das Budget zu kontrollieren. Aber, was gibt es Kostbareres als Zeit? Vorausgesetzt man ist gesund. Nein, sie zählt auch, vielleicht sogar noch mehr, wenn man es nicht ist. Oder?
    Da mein trotz alledem doch sehr geschätzter Arbeitsplatz bald verschwinden wird, Relokation heißt das Zauberwort, weil der Konzern glaubt, etwas für seinen „Shareholder Value“ tun zu müssen, wird es in der Firma dieses Jahr nicht so eng gesehen, wenn ich vier ganze Wochen auf einmal Urlaub nehme. Wurde ich in meiner Funktion über Jahre hinweg mehr oder weniger als unabkömmlich behandelt und mir eine gewisse Wichtigkeit eingeredet, so ist das offenbar plötzlich alles völlig egal. Da habe ich mich all die Jahre zuvor wohl, wie man so schön sagt, verarschen lassen. Ich habe mein Bestes gegeben, sogar mein Herz in die Sache gehängt, viele Aufgaben und Projekte haben sogar richtig Spaß gemacht, und jetzt hat jemand in der Konzernzentrale auf der anderen Seite der Erde plötzlich völlig andere Prioritäten gesetzt. Da heißt es nun, aus der Not wenigstens eine Tugend zu machen.
     
    Mit dem Gedanken, diese Tour unbedingt machen zu müssen, hatte ich mich schon länger auseinandergesetzt, und jetzt musste die Gelegenheit beim Schopf gepackt werden - dass so eine Tour allerdings ohne jegliches Training nicht ganz unproblematisch ist, sollte ich erst später herausfinden. Das Rad habe ich gewählt, weil ich auch in vier Wochen nicht den ganzen Weg zu Fuß hätte schaffen können. Außerdem macht mir Radfahren Spaß und ich glaubte, die 800 km innerhalb von vier Wochen bequem schaffen zu können.
     

In den Pyrenäen
     
    Mein Taxifahrer ist mittlerweile zum Geographieunterricht übergegangen. Doch davon später mehr, jetzt nur soviel: zwei Pässe sind zu fahren, Erro und Mesquirez. Naiverweise muss ich eingestehen, war ich davon ausgegangen, dass es von Roncesvalles
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