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Atlantis in London

Atlantis in London

Titel: Atlantis in London
Autoren: Jason Dark
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Erleben zählte zur Realität, so grausam es sich auch anhörte.
    Sie stand in der Küche dicht vor der Scheibe, in der sie den Umriss ihres Gesichtes sah. Selbst bei dieser schlechten Sicht erkannte sie, wie schlimm sie aussah.
    Verweint, verquollen, von der blanken Furcht gezeichnet. Ein Synonym für die Zukunft, wobei sie sich zu Recht fragte, ob es für sie und ihre Familie noch eine Zukunft geben würde.
    Ihr Mann war in dieser Nacht unterwegs. Er suchte Julia, die sich angeblich im Garten aufhalten sollte, wie Kevin erklärt hatte. Und Frank hatte das Beil mitgenommen, auch das wusste sie. Er wollte Julia töten, wenn eben möglich. Und er wollte nicht mehr so lange warten, bis Hilfe eingetroffen war. Sie hatten etwas unternommen. Jetzt konnten sie nur beten, dass es auch klappte.
    Nicht zu spät, dachte sie, nur nicht zu spät. Das wäre furchtbar gewesen. Am liebsten hätte sie alles zerschlagen. Die selbst eingebaute Küche, die Einrichtung in den anderen Räumen, das gesamte Haus hätte unter den Hieben der Axt zerbrechen können. Es hätte ihr nichts mehr ausgemacht. Was ihr einmal lieb und teuer und gleichzeitig zu einer Heimat geworden war, fing sie nun an zu hassen.
    Dazu zählte auch der Garten, dieses herrliche Refugium, eine wunderschöne Wildnis, nicht allein für die Erwachsenen, auch für Kevin, ihren kleinen Sohn.
    Alles nicht mehr existent, alles weg, nur vergessen, so lautete ihre Devise.
    Frank war nicht da. Frank lief durch den Garten. Frank wollte sie stellen. Immer wieder hämmerten diese Sätze durch ihren Kopf. Sie hätte am liebsten geschrien, um der Angst und dem Frust freie Bahn zu lassen, aber das wollte sie auch nicht.
    Kevin schlief. Er wusste von den schlimmen Dingen nichts. Er war ja noch so klein, ein unschuldiges Wesen, das nicht ahnte, wie furchtbar und grausam diese Welt sein konnte.
    Nancy verließ die rustikal eingerichtete Küche mit der hübschen Deckenleuchte, die aus einem Hut bestand, der über der Birne schwebte. Das Haus bestand aus Holz. Es war schon älter, aber noch gut in Schuss. Frank hatte es präpariert. Als Freiberufler war er des öfteren zu Hause gewesen und hatte sich um diese Dinge gekümmert, die ihm persönlich eine gewisse Entspannung gaben. Das Zimmer des Jungen lag in der ersten Etage. Um es zu erreichen, musste sie die hellgestrichene Holztreppe hochgehen. Der breite Flur öffnete sich ihr. An den hellen Wänden hingen bunte Bilder. Manche von ihnen hatte Kevin gemalt.
    Die Türen lagen in kleinen Nischen. Kevins Zimmer befand sich dem der Eltern gegenüber. Es war groß, luftig, sehr hell, beklebt mit einer bunten Tapete, auf der sich zahlreiche Tiere ein Stelldichein gaben. Spielzeug, lustige Comicfiguren als Lampen, das selbst gebaute Holzbett, in dem die kleine Gestalt lag.
    Sie ließen Kevin nie im Dunklen einschlafen. Ein Licht brannte auch jetzt in dem Zimmer. Es hätte eigentlich einen entspannten Ausdruck zeigen müssen, so wie es in jeder Nacht war und Nancy es in Erinnerung hatte. Das war heute nicht der Fall!
    Nancy Bristol erschrak, als sie neben dem Bett stehen blieb. Der kleine Kevin lag auf dem Rücken, und er war überhaupt nicht entspannt. Sein Gesichtchen zeigte eher einen verzerrten, angespannten Ausdruck, als würde der Junge von schlimmen Träumen geplagt. Zwischen seinen Lippen drang der Atem lauter hervor als sonst. Die Hände waren zu Fäusten geballt, die hin und wieder aufzuckten, als stünde das schlafende Kind unter einem fürchterlichen Stress. Nancy beugte sich vor. Sorge zeichnete das Gesicht der Mutter, als sie über Kevins Wange streichelte.
    Feucht fühlte sich die Haut an. Ein Zeichen dafür, wie sehr Kevin litt und dabei stark schwitzte. Nancy schüttelte den Kopf. Sie schob ihre Hand unter die Bettdecke und berührte den Körper ihres Jungen. Sein Schlafanzug war klamm. Kevin litt…
    Seine Mutter presste die Lippen zusammen. Sie erhob sich, um eine Decke zu holen, in die sie Kevin einwickeln konnte. Dabei fiel ihr Blick in den Wandspiegel, dessen Fläche ihre Gestalt wider gab. Nancy erschrak vor sich selbst. Sie hatte sich schrecklich verändert. Das sonst so krause Blondhaar hing wie angeklatscht um ihren Kopf. Die Augen waren verquollen, dafür die Wangen eingefallen. Sie sah sich um Jahre gealtert.
    Wie lange hielt sie diesem Druck noch stand? Wann endlich hatte der verfluchte Horror ein Ende?
    »Frank«, flüsterte sie und fing an zu weinen. »Wärst du nur hier geblieben!« Die Angst um ihren Mann flammte
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