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Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)

Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)

Titel: Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
Autoren: Sarwat Chadda
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Hunderte solcher Rollen. Sein Onkel war nämlich regelrecht davon besessen, Indus, die alte Sprache Indiens, zu übersetzen. Auf dieser Rolle befanden sich unter jeder Zeile in Indus zwei weitere Zeilen in anderer Schrift. Eine bestand aus senkrechten und schrägen Strichen und in der Reihe darunter standen eindeutig ägyptische Hieroglyphen. Die Rolle wurde von vier kleinen Bronzestatuen gehalten, die je auf einer der Ecken standen. Ash hob eine hoch.
    Die etwa zehn Zentimeter große Statue stellte ein Mädchen mit langen Gliedmaßen dar, deren Arme von zahlreichen Reifen bedeckt waren. Ihr Kinn war hoch erhoben, hochnäsig und stolz, sie hatte große, mandelförmige Augen und stemmte die Hand in die Hüfte, als würde sie nach dem Tanzen eine Pause einlegen.
    Ash stellte sie an ihren Platz zurück und strich mit den Fingern über das dünne gelbe Pergament. Es fühlte sich wie ungeheuer weiches Leder an, alt und runzlig. Dann entdeckte Ash die dunklen Flecken darauf, die aussahen wie Sommersprossen.
    Sommersprossen?
    Ash erstarrte. Gebannt stierte er die Schriftrolle an und bemerkte auf einmal die winzigen Falten und beinahe unsichtbaren Schraffierungen. Zum Vergleich hielt er seine Hand in den flackernden Feuerschein und betrachtete die Linien auf Knöcheln und Fingern.
    Das Schriftstück war aus menschlicher Haut.
    Vor der Tür erklangen Schritte. Dann drehte sich der Türknauf und die Angeln knarzten. Schnell versteckte Ash sich hinter einem der Vorhänge.
    Das gibt Ärger! Allerdings nur, wenn sie ihn erwischten. Ash zwang sich, vollkommen still zu stehen und winzig kleine, möglichst unhörbare Atemzüge zu machen.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie meiner Einladung so kurzfristig Folge geleistet haben, Professor Mistry.«
    Riesenärger. Mega-monumentalen Ärger!
    Ash sah den Rest seines Lebens schon vor sich: Hausarrest und Computerverbot bis in alle Ewigkeit. Zu Hause in England hatte sein Dad ihm noch eingeschärft, dass er sich benehmen und von seiner besten Seite zeigen sollte – und Einbruch zählte sicher nicht zu »gutem Benehmen«, egal wie er es auch drehte und wendete. Doch auch wenn Ash wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte, wollte er herausfinden, warum sein Onkel hier war, und lugte vorsichtig durch einen Spalt im schweren Stoff.
    Eben trat Onkel Vik neben Savage und jemand anderem in den Raum. Dieser dritte Typ war ein Riese und so breit wie der Türrahmen. Seine Haut war wettergegerbt und tief gefurcht, fast wie Baumrinde oder Schuppen. Er trug einen Anzug aus dem gleichen weißen Leinen wie die übrigen von Savages Dienern, allerdings spannte sein Gewand über dem mehr als muskulösen Körper. Die Arme des Hünen waren dicker als Ashs Taille – und Ash war nicht gerade dürr – und die Augen des Fremden wurden von einer großen Sonnenbrille verborgen.
    »Ich muss zugeben«, sagte Onkel Vik, »Ihre Einladung kam überraschend. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie mit meiner Arbeit vertraut sind.«
    »Sie erforschen die Geschichte Indiens so leidenschaftlich wie nur wenige Menschen.«
    Der große Mann ging zu einer Vitrine und schenkte zwei große Gläser Whiskey ein.
    Savage nahm eine der Statuen der tanzenden Mädchen und reichte sie Onkel Vik. »Was halten Sie davon?«
    Onkel Vik starrte sie an, als hielte er den Heiligen Gral in den Händen. »Ist sie authentisch?«
    »Ein Fund, der von der neuen Grabungsstätte in Rajasthan stammt.« Savage trat zu Onkel Vik, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen und ihn zum Schreibtisch zu führen. Ashs Onkel fischte in seiner Brusttasche nach seiner Brille und beugte sich anschließend so tief über die Schriftrolle, dass seine Nase fast die Symbole berührte.
    »Wie Sie wissen, ist es bisher keinem gelungen, die Indus-Sprache zu übersetzen«, fuhr Savage fort. »Das Problem ist, dass es hierfür keinen Rosettastein gibt.«
    Rosettastein? Ach, ja. Ash erinnerte sich an einen Schulausflug im vergangenen Jahr, bei dem er stundenlang durchs Britische Museum geschleppt worden war. Der Stein von Rosetta war ein großer schwarzer Felsklotz, auf dem in drei Sprachen dieselbe Nachricht eingeritzt war: in ägyptischen Hieroglyphen, auf Demotisch und Altgriechisch. Vor diesem Fund wusste keiner, was die ägyptischen Hieroglyphen bedeuteten, aber weil Griechisch und Demotisch schon bekannt waren, konnten die Historiker die Worte miteinander vergleichen und schließlich die Hieroglyphen übersetzen. Aus einem Haufen mysteriöser Bildchen wurde eine richtige
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