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Armegeddon Rock

Armegeddon Rock

Titel: Armegeddon Rock
Autoren: George R.R. Martin
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alptraumhaften Gestalten. Eine riesige, purpurne Sonne hinter ihnen ließ ihre Gestalten scharf hervortreten und warf lange Schatten, schwarz wie die Sünde und scharf wie die Schneide eines Messers.
    Sie standen da, wie sie immer gestanden hatten, wenn sie spielten. Im Hintergrund, zwischen den mit wirbelnden Mustern aus Schwarz und Rot lackierten Drums, saß Gopher John mit finsterem Blick. Er war ein großer Mann mit einem Mondgesicht, dessen Züge in seinem dichten schwarzen Bart fast verschwanden. In seinen gewaltigen Händen sahen die Sticks wie Zahnstocher aus, und doch schien er in Anbetracht seiner Größe dort zu kauern, schien wie ein großes wildes Tier, das man in seinem Nest überrascht hat, zwischen diesen Drums zu hocken. Vor Gopher Johns dunklem Nest standen Maggio und Faxon, die die Drums auf beiden Seiten flankierten. Maggio klammerte die Gitarre an seine bloße, knochige Brust. Er grinste höhnisch, seine langen dunklen Haare und der schlaffe Schnurrbart bewegten sich in einem unsichtbaren Wind, und seine Brustwarzen wirkten ausgeprägt und rot. Faxon trug eine weiße Fransenjacke; auf seinen Lippen lag ein dünnes Lächeln, während er seinen elektrischen Baß zupfte. Er war sauber rasiert, mit langen blonden Haarflechten und grünen Augen, aber wenn man ihn so sah, ahnte man nicht, was für einen scharfen Verstand er hatte.
    Und ganz vorne stand Hobbins, mit gespreizten Beinen, den Kopf zurückgeworfen, so daß sein hüftlanges weißes Haar in einer Kaskade hinter ihm herabfiel, die Augen ein flammendes Scharlachrot, eine Hand um ein Mikrofon geklammert und die andere wie eine Klaue in die Luft gereckt. Er trug einen schwarzen Jeansanzug mit aus Knochen gefertigten Knöpfen, und auf seinen Schritt war eine amerikanische Flagge mit dem Auge von Mordor genäht, wo die Sterne sein sollten. Er sah wieetwas Übernatürliches aus, schmächtig und klein und doch von einer Vitalität erfüllt, die ein gellender Aufschrei gegen die Dunkelheit war und sie in Schach hielt.
    Vor der großen purpurnen Sonne stand ein einziges Wort in spitzen schwarzen Buchstaben, die wie ein mit einer Schlange gepaarter Blitz aussahen: Nazgûl. Und ganz unten, sehr schwach, grau gegen die Schwärze, wisperte es: Music to Wake the Dead.
    Sandy ließ das Album aus der Hülle gleiten und legte es vorsichtig auf seinen Plattenspieler, schaltete ihn ein und drehte den Verstärker voll auf. Heute abend wollte er es laut, so wie damals, als er es zum erstenmal gehört hatte, ’71 war das gewesen, so wie die Nazgûl meinten, daß es gespielt werden sollte. Wenn es Sharon nervte, die oben ihre Papiere hin und her schob, war das ihr Pech.
    Einen Moment lang herrschte nur Stille, dann wurde ein schwaches Geräusch immer lauter, etwas, das wie das Pfeifen eines Teekessels oder vielleicht wie ein herunterkommendes Geschoß klang. Es stieg an, bis es ein schrilles Heulen war, das einem ins Gehirn schnitt, und dann kam der schwere Sound der Drums, als Gopher John den Beat dahinterlegte, und dann setzten die Gitarren ein, und schließlich kam Hobbins und warf sich mit voller Kraft in »Blood on the Sheets«. Bei den ersten Textzeilen überlief Sandy ein merkwürdiger kleiner Schauer. Baby, you cut my heart out, sangen die Nazgûl, Baby, you made me bleeeeed!
    Er schloß die Augen und hörte zu, und es war fast, als ob sich ein Jahrzehnt in Luft aufgelöst hätte, als ob es West Mesa nie gegeben hätte, als ob Nixon immer noch im Weißen Haus säße und der Vietnamkrieg noch tobte und das Movement noch lebte. Aber irgendwie blieb sogar in dieser zerrissenen Vergangenheit eines dasselbe, und in der von den Songs der Nazgûl erhellten Dunkelheit trat es deutlicher denn je hervor.
    Jamie Lynch war tot. Sie hatten ihm tatsächlich das Herz herausgeschnitten.

2
     
     
    I see a bad moon a-rising  /
    I see trouble on the way
     
     
     
    SHERIFF EDWIN THEODORE wurde aus Gründen, die für Sandy Blair nicht sofort ersichtlich waren, von allen und jedem in seinem Zuständigkeitsbereich »Notch« genannt. Notch war ein kleiner, dünner Mann mit furchteinflößender Haltung, einem schmalen, spitzen Gesicht, einer randlosen Brille und eisengrauem Haar, das er glatt zurückgekämmt trug. Er sah aus, als müßte er eigentlich eine Mistgabel halten und aus einem Gemälde herausstarren. Nach einem Blick auf Notch entschied Sandy, ihn Sheriff Theodore zu nennen.
    Der Sheriff befingerte Sandys steife, weiße, offiziöse Geschäftskarte, während er Sandy
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