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Armegeddon Rock

Armegeddon Rock

Titel: Armegeddon Rock
Autoren: George R.R. Martin
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haben eine offene Beziehung. Bring nur nichts mit nach Hause.«
    Sandy stand auf. Er kochte vor Wut. »Du weißt, Sharon, ich liebe dich, aber ich schwöre dir, manchmal bringst du mich zur Weißglut. Das ist eine Story. Ein Auftrag. Ich bin Schriftsteller, und ich werde über den Mord an Jamie Lynch schreiben. Das ist alles. Sieh zu, daß du nicht ganz die Fasson verlierst.«
    »Du benutzt so drollige nostalgische Ausdrücke«, sagte Sharon. »Ich hab seit dem College nicht mehr die Fasson verloren, mein Lieber.« Sie stand auf. »Und ich hab von dem hier ungefähr so viel genossen, wie ich ertragen kann. Ich geh in mein Arbeitszimmer und mach mich an die Arbeit.«
    »Ich fahre morgen ganz früh los«, sagte Sandy. »Ich hab gedacht, wir könnten vielleicht essen gehen.«
    »Ich hab zu tun«, sagte Sharon. Sie ging zur Treppe.
    »Aber ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Ich werd vielleicht länger…«
    Sie drehte sich um und schaute ihn an. »Besser nicht allzulange, oder ich könnte dich total vergessen und die Schlösser auswechseln.«
    Sandy betrachtete ihren Rücken, als sie hinaufging. Mit jedem Klicken eines Absatzes gegen Holz wuchs die Frustration in ihm. Als er hörte, wie sie ihr Arbeitszimmer betrat, ging er steifbeinig in die Küche, holte sich noch ein Bier und versuchte, zu den Reisevorbereitungen zurückzukehren, aber es dauerte nur einen Augenblick, bis er erkannte, daß er zu wütend war, um sich zu konzentrieren. Was er brauchte, war Musik, dachte er. Er trank einen Schluck Bier und lächelte. Ein bißchen Rock.
    Ihre Plattensammlung füllte zwei hohe Schränke zu beiden Seiten der Lautsprecherboxen, riesiger alter JVC 100er, die Sandy jahrelang treue Dienste geleistet hatten. Sharons Schrank war voll mit Blues, Melodien von Broadway-Shows und sogar Disco, zu Sandys nie endendem Entsetzen. »Ich mag gern tanzen«, sagte Sharon immer, wenn er ihr damit kam. Sandys Platten waren alle Folk und alter Rock. Er konnte sich nicht damit abfinden, was mit der Musik in den letzten zehn Jahren passiert war, und die einzigen Alben, die er heutzutage kaufte, waren Wiederveröffentlichungen, die er brauchte, um alte, durch das Abspielen abgenutzte Lieblingsplatten zu ersetzen.
    Sandy verschwendete keine Zeit damit, die zu seiner Stimmung passende Musik auszusuchen. Es gab nur eine denkbare Wahl.
    Es waren fünf Alben, eingeordnet zwischen den Mothers of Investition und den New Riders of the Purple Sage. Er zog sie heraus und sah sie durch. Die Hüllen waren so vertraut wie die Gesichtszüge eines alten Freundes, und genauso war es mit den Titeln. Das erste, Hot wind out of Mordor, hatte ein tolkienartiges Cover, Hobbits, die sich in das pastellfarbene Unterholz duckten, während Vulkane in der Ferne rotes Feuer spuckten und die dunklen Reiter auf ihren schuppigen, geflügelten Streitrossen über ihnen kreisten. Nazgûl bot eine surreale Landschaft mit roter Sonne und scharlachrotem Nebel, verzerrten Bergen und Formen, die halb lebendig und halb Maschinen waren, alles leuchtend, fiebrig und heiß. Das große Doppelalbum war vorne, hinten und im Innern glänzend schwarz, ohne Beschriftung, leer bis auf vier winzige Paare glühend roter Augen, die aus der linken unteren Ecke spähten. Es gab keinen Titel. Man hatte es das Schwarze Album genannt, in bewußter Parodie auf das Weiße Album der Beatles. Das folgende, Napalm, zeigte Kinder in einem Dschungel, die sich brennend und schreiend hinkauerten, während merkwürdig verformte Flugzeuge über ihren Köpfen dahinrasten und Feuer auf sie herabspuckten. Erst wenn man genau hinsah, erkannte man, daß die Szene eine neue Darstellung des Covers von Hot wind out of Mordor war, genauso wie die Songs darin Antworten auf frühere, unschuldigere Kompositionen der Gruppe waren… obwohl sie nie ganz unschuldig gewesen waren.
    Sandy sah sich jedes Album der Reihe nach an und stellte es wieder in den Schrank, bis er nur noch das fünfte Album in der Hand hatte, das letzte, das Ende, nur Wochen vor West Mesa aufgenommen.
    Die Hülle war dunkel und bedrohlich, in düsteren Schattierungen von Schwarz, Grau und Violett gehalten. Es war eine Fotografie von einem Konzert, retuschiert, um das Publikum, die Halle, die Bühnenanlage, einfach alles zu tilgen. Nur die Band war übrig geblieben; die vier standen auf einer endlosen, leeren Ebene, Dunkelheit türmte sich vor ihnen und unter ihnen und drang auf sie ein, die Schatten waren ein schleimiges Gewimmel von schlüpfrigen,
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