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Armageddon 2 - Das Menü

Armageddon 2 - Das Menü

Titel: Armageddon 2 - Das Menü
Autoren: Robert Rankin
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sauber und
    besaßen eine adäquate Lüftung. Trotzdem lagen die Ausdün-
    stungen von 666666 antiken Folianten schwer in der Luft. All
    diese Seiten. Millionen davon. Es war Jacks Aufgabe, heute
    wie seit fünf Jahren, seit jenem Tag, an dem er aus England
    hergekommen war, um die Arbeitsstelle anzutreten, jede ein-
    zelne dieser Seiten auf Computerdisks zu übertragen.
    Das Projekt hatte in großem Maßstab begonnen: fünfzig
    Terminals, an denen Tag und Nacht gearbeitet worden war.
    Doch inzwischen waren die Zeiten hart, und finanzielle Mittel
    ein Ding der Vergangenheit. Inzwischen waren da nur noch
    Jack und Spike und keine Überstunden mehr. Die größte
    Sammlung seltener okkulter Bücher weltweit, und nur die
    beiden ganz allein, um sie zu übertragen, bevor sie zu Staub
    zerfallen konnten.

    Jack hatte das System entwickelt: das Über-Kreuz-
    Katalogisieren, -Referenzieren, -Indizieren und was nicht sonst
    noch alles, und das Projekt war nicht mehr weit von seiner
    Fertigstellung entfernt. Die Sahnestückchen von allem waren
    erfasst: Die Daemonolatreia von Remigius, Joseph Glanvils Sa-
    ducismus Triumphantus und selbst das unaussprechliche Necro-
    nomicon des verrückten Arabers Abdul Alhazred in der verbo-
    tenen lateinischen Übersetzung von Olaus Wormius. Kein
    Scherz. Alles auf Disk, jedermann zugänglich, der autorisiert
    war, einen Blick darauf zu werfen, während die Originale für
    die Ewigkeit in Hüllen aus Protektrit versiegelt worden waren.
    Jack nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und fuhr seinen
    Computer hoch. Der Schirm wurde blau, während Jack die
    Schublade aufzog, eine halbe Flasche Wodka herausnahm und
    einen kleinen Frühstücksschluck zu sich nahm.
    Beinahe im gleichen Augenblick schnaubte ihn ein schreckli-
    ches »State of the Art«-Telefon verächtlich an. Jack nahm den
    Hörer ohne Begeisterung auf und sagte: »Bücherei?«
    Zu seinem ausgesprochenen Missvergnügen wünschte ihm
    die Stimme des Dekans einen guten Morgen. Jack erwiderte
    die redundante Höflichkeit. Er hatte seit Monaten keinen gu-
    ten Morgen mehr gehabt.
    »Jack«, sagte der Dekan. »Wie geht die Arbeit voran?«
    »Exzellent, Sir, danke der Nachfrage.« Jack tat sein Bestes,
    um begeistert zu klingen.
    »Gut. Haben Sie alles, was Sie brauchen?«
    »Nun…« Ich habe neunundvierzig leere Schreibtische, dachte
    Jack.

    »Ich frage mich, ob Sie Zeit hätten, hoch in mein Büro zu
    kommen…«
    »Nun…«
    »Sehr gut. Sagen wir fünf Minuten? Danke sehr.«
    Jack legte den Hörer auf und wandte sich wieder seinem
    Frühstück zu. In fünf Minuten im Büro des Dekans? So weit ist es
    also gekommen, wie? Jack konnte bereits die Worte des Dekans
    hören, wie stets in kaltem und unbeteiligtem Tonfall. Die Si-
    tuation unterliegt nicht unserer Kontrolle. Ständige Kürzun-
    gen der Mittel. Uns sind die Hände gebunden. Ich bedaure
    sehr, aber wir sind gezwungen, Sie zu entlassen.
    »Irgendetwas sagt mir«, sagte Jack Doveston laut, »dass dies
    heute nicht mein Tag wird.«
    Selbstverständlich sollte er damit Recht behalten. Was er je-
    doch nicht wissen konnte – und selbst wenn er es getan hätte,
    ist es zweifelhaft, ob er aus der Tatsache Trost gezogen hätte –,
    dass heute niemandes Tag werden würde.

    Rex Mundi erwachte an jenem Tag, weit in der Zukunft, mit
    einem ziemlichen Kater. Doch da er im Paradies lebte, fühlte
    er sich so frisch und jung wie das sprichwörtliche Gänseblüm-
    chen. Er rülpste schamlos, furzte laut und rollte sich zu seiner
    Frau Christeen herum.
    »Nein«, sagte sie im Schlaf. Rex erhob sich aus dem eheli-
    chen Bett und musterte seine Umgebung mit einigen miss-
    trauischen Blicken.
    Es war eigentlich gar nicht so übel, wenn man es bedachte.
    Ein wenig rustikal, aber das war schließlich auch die Devise.

    Alles wuchs so, wie man es brauchte. Betten, Stühle, Tische,
    sämtliches Mobiliar. Einzig und allein Fernseher durften sie
    nicht züchten.
    Vor der Apokalypse hatten die Erben des 1999er-Nuklearen-
    Holocaust-Ereignisses sich ihren notdürftigen Lebensunterhalt
    durch eine erzwungene Diät aus obligatorischem TV verdient.
    Ständig unter der Überwachung elektronischer Irisscanner,
    waren die Essensrationen entsprechend der Hingabe des Zu-
    schauers an seine Glotze verteilt worden. Im Paradies waren
    Fernseher definitiv ein Tabu. Es war nun zehn volle Jahre her,
    dass Rex zum letzten Mal ferngesehen hatte, und diese Tatsa-
    che verursachte ihm keinerlei schlaflose Nächte. Er
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