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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl
Autoren: Chamäleon Cacho
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Groll, brachte mich in die Wirklichkeit zurück.
    »Deshalb der Fotograf …«
    »Der Fotograf? Nein … Der war nicht wegen Ihnen hier. Die von der Zeitung kommen wegen Márquez«, sagte sie mit einem Nicken zum anderen Bett.
    Dann ging sie und ließ mich allein, damit ich gedanklich Ordnung in meine verfahrene Lage bringen und mir klarmachen konnte, ob ich einen Grund hatte, erleichtert aufzuatmen; ein Toter kann in mehrfacher Hinsicht von Vorteil sein.
    Wie würde ein Richter diese Situation beurteilen? Ich dachte darüber nach.
    Ich hatte den Mann bei Einbruch der Dunkelheit mitgenommen, wenige Kilometer bevor ich anhielt, um in einem Lokal ein Churrasco zu essen.
    Er hieß Ernesto. Ernesto Soundso … An den Nachnamen kann ich mich nicht erinnern. Ich trank viel und aß kaum etwas. Und wir redeten; na gut, ich redete. Mir ging es nicht gut, ich war fast zweitausend Kilometer durchgefahren, voller Wut, Depressionen und Whisky. Das kann jedem passieren. Ja, wir waren … vielleicht eine Stunde in dem Lokal? Möglicherweise, Euer Ehren. Ich erinnere mich, dass es dunkel war, als wir den Laden verließen.
    Der Schmerz bohrte sich in mein Hirn, ließ dann aber nach. Es war wie eine Warnung. Ich hatte falsch gelegen, denn der andere war tot.
    Ich musste die Geschichte anders aufziehen. Ich könnte sagen, dass ich müde gewesen sei und ihn ans Steuer gelassen hätte; dass er gefahren und die Straße, von der wir abgestürzt waren, in ziemlich schlechtem Zustand gewesen sei. Der Polizist hatte sich zwar Notizen gemacht, aber ich konnte es noch immer leugnen.
    Eine vage Erinnerung an ein paar einzelne Gestalten versetzte mich in den Moment zurück, in dem die Notärzte im Dunkeln herumgestolpert waren und mich mehrere Meter vom Wagen entfernt aus ein paar Büschen geborgen hatten.
    Es war beschlossene Sache: Ich hatte nicht am Steuer gesessen, und der Tote konnte es nicht bestreiten.
    Bis ich etwas mehr über den Unfall in Erfahrung gebracht hätte, müsste ich jede Aussage vermeiden und so wenig wie möglich preisgeben. Außerdem fühlte ich mich müde. Wahnsinnig müde.
    Ich glaube, ich schlief eine Weile.
     
    Ich wachte wegen der Schwester auf. Es war eine andere, ebenfalls eine Indianerin und genauso dick und unerschütterlich. Sie injizierte etwas in den Infusionsbeutel, der neben meinem Arm hing. Die erste Dicke wechselte dem anderen Patienten unter der Anleitung eines jungen Arztes die Wundverbände.
    »Der Herr ist wach, Doktor«, teilte der Zwilling der Dicken mit.
    »Ich komme.«
    Wärme wie von einem guten Wein durchströmte meinen Körper und vertrieb die Angst, die mir die Brust einschnürte. Es machte mir kaum noch etwas aus, dass sich meine Arme und Beine anfühlten, als wären sie aus Blei. Tot, aber lebendig.
    »Wie fühlen Sie sich?«
    Der Arzt an meinem Bett kontrollierte meinen Puls. Bevor ich ihm antwortete, sah ich ihn durch meine geschwollenen und wahrscheinlich violetten Lider hindurch an und konnte ihm seinen Lebenslauf am Gesicht ablesen. Er hatte kürzlich erst seine Zulassung erhalten, und weil es ihm entweder an Kontakten mangelte oder er voller Idealismus war, um seine ehrgeizigen Pläne umzusetzen, befand er sich hier am Ende der Welt, um Erfahrungen zu sammeln oder sich Meriten zu verdienen. Mit ihm würde es keine Probleme geben.
    »Können Sie sprechen?«, erkundigte er sich behutsam.
    Ich zwinkerte langsam und stammelte etwas, das ungefähr so lebendig klang wie das Röcheln eines Sterbenden.
    »Das kommt vom Schreck, Doktor«, sagte die erste Dicke, die über seine Schulter blickte, »diese Polizeibeamten sind ganz schön ungehobelt; vor Kurzem war einer hier, um ihn zu befragen, und er hat irgendwie die Beherrschung verloren.«
    »Na schön, er soll sich ausruhen.«
    Gut, sehr gut … Als sie gingen und die Tür halb offen ließen, um mich im Auge zu behalten, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war. Mit dem Doktor würde ich leichtes Spiel haben.
    Ich versuchte zu schlafen, aber ich konnte nicht. Eine Bemerkung der Dicken hatte in meinem Kopf einen Alarm ausgelöst.
    Der nette Doktor hatte gefragt, ob sie Márquez, meinen Zimmernachbarn, kenne. Und als die Indianerin antwortete, begriff ich plötzlich, dass etwas Wichtiges im Gange war.
    War ich nun Journalist oder nicht? Das war eine Exklusivgeschichte, direkt vor meiner Nase, und die konnte ich mir nicht entgehen lassen. Was dieser Mann da gemacht hatte, diese Geschichte mit den Toten durch Exorzismus, würde mich aus
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