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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter
Autoren: Thommie Bayer
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seine Schulter zu drücken und sich ausweinen zu lassen. Es gab keine Garderobe, sie war den Blicken ausgeliefert, vor denen er sie nicht beschützen konnte.
    Daniel kam heran und setzte sich auf den Bühnenrand. »Du spielst toll«, sagte er.
    Benno schwieg.
    Vor ihnen stand der Barkeeper, einen Whisky in der Hand, den er der Sängerin lächelnd hinstreckte: »You’ re fantastic«, sagte er, »I’m sorry for the moron. Just forget about him. Please.« Er warf einen kurzen, skeptischen Blick auf Benno, dessen Jagd auf den Störer ihm nicht gefallen zu haben schien, aber jetzt war nicht der Moment, ihn deswegen anzuraunzen, denn das Mädchen wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab und nahm den Whisky. Sie lächelte und trank einen Schluck.
    »Tut mir leid«, sagte sie, »das war ja wohl die Katastrophe.«
    Zuerst begriff Benno nicht, dass dieser deutsche Satz aus ihrem Mund gekommen sein musste – er hatte eben noch selbstverständlich englisch mit ihr geredet, aber dann wurde ihm klar, dass sie mit Daniel gesprochen hatte. Der lächelte, setzte sich um, weg von Benno, an ihre Seite, und nahm sie in den Arm.
    »Nur die Wildsau«, sagte er, »und vielleicht auch noch die Jagd. Aber dein Auftritt war toll.«
    »Danke«, sagte sie zu Daniel und lächelte Benno an. Sie war ungeschminkt, die Tränen hatten ihr Gesicht weicher und durchscheinender werden lassen, ohne Verwüstungen darin anzurichten.
    Daniel stellte vor: »Meike, das ist Benno. Wir haben uns zwölf Jahre nicht gesehen. Und jetzt rockt er hier den Laden.«
    »Das war sie «, sagte Benno. »Hallo, Meike.«
    Er musste sich beherrschen, um nicht nach dem Whisky zu greifen, den sie neben sich gestellt und offenbar vergessen hatte.
    Hinter ihnen begann Warren, seine Zwölfsaitige nachzustimmen, es wurde Zeit für den nächsten Set. Die Pausen waren immer kurz, da sie nur zum Pinkeln oder Rauchen eingelegt wurden.
    »Ich muss wieder mucken«, sagte Benno, »seh ich euch noch?«
    Er tat, als wohne Daniel um die Ecke und schneie jeden dritten Tag herein. Und hätte doch nie damit gerechnet, ihn jemals wiederzusehen.
    »Ich bring Meike nach Hause«, sagte Daniel nach einem schnellen Blick zu ihr, »sie muss telefonieren. Dann komm ich wieder. Hau nicht ab.«
    »Wir spielen bis zwölf.« Benno griff nach seiner Strat. Nick war schon mitten im Vorspiel von Tennessee Waltz , und Benno musste sich beeilen, sein Plektrum zwischen die Finger zu kriegen. Den Spaß machte sich Nick immer wieder. Und Benno verpasste den Einsatz nie.
    Zum Glück hatte Meike ihren Whisky mitgenommen – er hätte es nicht ausgehalten, zwanzig Minuten lang draufzustarren, ohne doch noch danach zu greifen.
    —
    Die Musiker konnten gehen, ohne abzubauen, es war ein Dienstag. Nur donnerstagnachts musste die Bühne leer sein, weil freitags und samstags die Gastspiele gebucht waren, mit denen der Club sein Geld verdiente. Montag bis Donnerstag brachte mit den Open-Stage-Veranstaltungen nur eben so die Unkosten ein. Benno legte seine Gitarre in den Koffer, die ließ er niemals zurück, der Laden konnte abbrennen. Und alles durfte passieren – vielleicht war ihm schon alles passiert –, nur diese Gitarre durfte nicht verloren gehen. Er ließ sie nicht mal im Camper liegen, wenn er am Wochenende unterwegs war – er gab sie dann immer dem Platzmanager zur Verwahrung. Der hatte ein solides Haus.
    Als Daniel endlich kam, stand Benno vor der Tür und spürte langsam Ärger in sich aufsteigen, er hatte noch keinen Schluck getrunken und zudem war es kühl. In seinem Gemüt kam Aprilwetter auf, wenn sich der erste Drink zu lang hinauszog, er konnte dann ebenso jäh entzückt wie sarkastisch werden. Derartige Ausreißer jedoch, wie seine Jagd auf das Furzgesicht, kannte er bislang nicht von sich. Das war eine neue Steigerung seiner Entzugsradikalität.
    »Hab mich verfranst«, sagte Daniel, »entschuldige.«
    »Geht noch«, sagte Benno versöhnlich.
    »Trinken wir was?«
    »Unbedingt.«
    —
    Er nahm zuerst einen Whisky und später zwei Bier in der Bar von Daniels Hotel, es fiel ihm erstaunlich leicht, so zu tun, als risse der Durst ihn nicht von innen auf, er trank langsam und schob einen Espresso dazwischen, um den Stoff wenigstens schnell durch die Blutbahn zu jagen. Daniel merkte nichts. Hab ich’s also noch im Griff, dachte Benno, gut so. Ich bin sowieso nicht der Typ, dem die Hände zittern. Bei mir tobts eher innerlich. Daniel redete.
    Das Mädchen sei die Tochter eines Bekannten, der ihn
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