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Apartment in Manhattan

Apartment in Manhattan

Titel: Apartment in Manhattan
Autoren: Wendy Markham
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drängen sich Wills Trainingsgeräte und ein Regal voller CDs, Drehbücher, Playbills und „echter“ Bücher – meistens Klassiker im Taschenbuchformat, die er nach zwei Semestern amerikanische Literatur im Second-Hand-Buchladen der Uni nicht hatte loswerden können.
    Nachdem Will den Türöffner gedrückt hat sollte man meinen, dass er mich an der Tür erwarten würde oder zumindest irgendwo in ihrer Nähe. Aber nein, ich muss erst zwei Mal klopfen, und als er endlich öffnet, gähnt er und sieht ganz zerknittert aus, offensichtlich ist er soeben erst aus dem Bett gestiegen.
    Er sieht trotzdem fabelhaft aus. Zumindest finde ich das.
    Kate hat einmal nach zwei starken Bourbon im Royalton verkündet, dass Will für ihre Begriffe ein wenig tuntig wirkt und sie sich nicht im Geringsten zu ihm hingezogen fühlt. Das hat mich tief erschüttert, aus Gründen, die ich nicht wirklich greifen kann. Seitdem gibt es jedenfalls Momente, in denen ich Will betrachte und nach Zeichen einer latenten Homosexualität suche, halb erwarte, dass er affektiert spricht oder herumtänzelt oder dem Portier James, der viel zu hübsch ist, um heterosexuell zu sein, ein lüsternes Grinsen zuwirft. Bisher ist das nie geschehen, und ich weiß nicht, wie Kate auf die Idee kommt, er wäre unmännlich. Und sie weiß noch nicht einmal was von den Pflanzen, die er seit seiner College-Zeit hat, und die noch immer auf seinem Fensterbrett blühen und gedeihen.
    Vielleicht liegt es ja nur an der Musical-Szene; so viele Schauspieler
sind
schwul, und vermutlich kann sie sich von diesen Vorurteilen nicht lösen, schließlich stammt sie aus dem tiefsten Süden.
    Wie auch immer, soweit es mich betrifft, ist Will die Männlichkeit in Person.
    Er ist einsneunzig groß und glatt rasiert, mit einem gut definierten Kiefer und einem Grübchen im Kinn. Er hat dichtes dunkelbraunes Haar, das – ob mit langen Koteletten oder struppig um seine Ohrläppchen herum abstehend oder kurz geschnitten wie zur Zeit – stets unglaublich gut aussieht. Seine weder ganz blauen noch ganz grauen Augen haben genau die Farbe meines Lieblingspullovers von J. Crew, die im Katalog als „Smoke“ bezeichnet wird. Er arbeitet viel im Freien, was zur Folge hat, dass er mager und muskulös ist. Manchmal trägt er einen schwarzen Rollkragenpullover und immer Eau de Cologne.
    Wo ich herkomme wird Eau de Cologne, genauso wie Schmuck, ausschließlich von Italienern getragen – meine Brüder und mein Vater eingeschlossen – oder von Jason Miller, dem örtlichen Friseur, dessen sexuelle Neigungen etwas unklar sind. Okay, zumindest meine Mutter empfindet sie als unklar, und mehr als einmal hat sie betont, wie merkwürdig es sei, dass ein so netter und gut aussehender Mann noch nicht verheiratet ist. Meine Mutter geht zweifellos auch davon aus, dass Lee Harvey Oswald ein Einzeltäter war, dass O.J. Simpson nach den wahren Mördern seiner Frau sucht, und dass ich mein ganzes Erwachsenenleben lang sonntags zur Messe
und
samstags zur Beichte gehe.
    Wie auch immer, vielleicht ist ja das Eau de Cologne Schuld daran, dass Kate Will tuntig findet.
    Selbst jetzt, so früh am Morgen – zumindest ist es für Will früh am Morgen und für jedermann sonst Mittag – riecht er großartig und sieht in seiner aufregend verknitterten Art unheimlich anziehend aus.
    „Habe ich dich geweckt?“ frage ich und stelle mich auf die Fußspitzen, um ihn auf die Wange zu küssen, die ein wenig stoppelig ist.
    „Ist schon in Ordnung.“ Er gähnt und schlurft in den Küchenbereich, wo er sich ein Glas Wasser einschenkt.
    „Wie ist es gestern gelaufen?“
    „Es war anstrengend. Eine Horde schlampiger East-Side-Matronen und ihre notorisch untreuen Männer haben gefeiert. Es gab eine Martini-Bar und Rindercarpaccio, obwohl Carpaccio schon seit Jahren out ist.“
    „Und Martinis nicht?“
    „Für diese Leute ist das immer in.“
    Ich sollte erwähnen, dass Will für „Eat, Drink Or Be Married“, einen Partyservice in Manhattan, arbeitet. Er verdient eine Menge Geld, indem er bei Privatfesten wie Hochzeiten und Wohltätigkeitsveranstaltungen serviert. Die meisten Gäste sind Prominente, und manchmal kennt er deren schmutzigsten Geheimnisse, was ich ungeheuer faszinierend finde.
    „Hör mal, Trace, ich weiß, dass wir heute Abend eigentlich zu der Party deines Freundes gehen wollten, aber ich muss arbeiten.“
    „Was
?“ Schmerzende Enttäuschung. „Wir haben das doch seit Wochen geplant! Es ist Raphaels
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