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Apartment in Manhattan

Apartment in Manhattan

Titel: Apartment in Manhattan
Autoren: Wendy Markham
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irgendwas über Läuse oder Lichter, und ich bin nicht die Einzige, die einen großen Bogen um ihn macht.
    Immer wieder mal hört man in den Nachrichten, dass unschuldige New Yorker vor einfahrende Züge gestoßen werden. Mein Freund Raphael hat das mal mit eigenen Augen gesehen, aber zum Glück konnte sich das Opfer gerade noch rechtzeitig von den Schienen rollen. Der Täter sah wie ein ganz normaler Geschäftsmann aus, sagt Raphael. Er trug einen Anzug und hatte eine Aktentasche bei sich. Als die Polizei ihn festnahm, stellte sich allerdings heraus, dass die Aktentasche voll lebendiger Nagetiere war. Welche tiefere Bedeutung das hat, weiß ich zwar nicht, aber es erscheint mir wichtig, in New York mit dem Rücken zur Wand zu stehen, wenn man von Fremden umgeben ist.
    Was ich auch tue.
    Schließlich erklingt aus der Ferne das unmissverständliche Geräusch des nahenden Zuges. Kurz darauf sieht man die Scheinwerfer im Tunnel. Während der Zug N in die Station braust, gehe ich vorsichtig in Richtung Bahnsteigkante und bleibe schließlich genau vor einer sich öffnenden Tür stehen, eine Fähigkeit, die man nur hat, wenn man monatelang Tag für Tag mit demselben Zug fährt.
    Im Waggon ist es brechend voll und viel zu warm; es riecht nach Schweiß und chinesischem Essen. Während ich mich an der bakterienverseuchten Haltestange festklammere höre ich Hip-Hop Musik, die aus dem Kopfhörer des Typen neben mir dröhnt. Ruckartig fährt der Zug an, die Lampen gehen kurz aus, und ich muss wieder an Will denken. Ich frage mich, ob er wohl wach ist, wenn ich in sein Apartment komme, das er sich mit Nerissa teilt, die er letztes Jahr beim Vorspielen kennen gelernt hat. Samstags schläft er gern bis zum frühen Nachmittag.
    Macht es mir etwas aus, dass er mit einer anderen Frau zusammenwohnt?
    Nein, natürlich nicht – würde ich gern sagen.
    Aber die Wahrheit ist, dass ich nichts dagegen hätte, wenn irgendjemand Nerissa vor einen einfahrenden Zug stoßen würde. Sie ist eine zarte und wunderschöne Tänzerin aus England, die seit einigen Monate in einer Off-Broadway-Show auftritt. Sie schläft auf ihrem Futon hinter einem Paravent von Ikea und Will in seinem breiten Bett, und niemals sollen sich ihre Wege kreuzen.
    Ja, das glaube ich wirklich. Ich zwinge mich, es zu glauben, denn Nerissa hat einen Freund, einen schottischen Profi-Golfer, und Will hat mich. Trotzdem sind mir nicht die Blicke entgangen, die er ihr zuwirft, wenn sie durch das Apartment schwebt, mit ihren Sweatpants und dem Tanztrikot, das ihre schmalen Hüften und ihre hohen, kleinen Brüste so vorteilhaft zur Geltung bringt.
    Ich dagegen bin der fleischige Typ, egal ob man mich nun mit Nerissa vergleicht oder nicht, ganz Hüften, Oberschenkel und Pobacken. Wie ich schon sagte, ist mein BH auch keine filigrane, spitzenbesetzte Angelegenheit. Meine Unterhosen würde niemand Slips nennen, eine Bezeichnung, die an zarte, glatte Mädchenkörper aus der Werbung erinnert. Feste Wäsche aus Baumwolle ist vonnöten, um die Tendenz meines Körpers zu schwabbeln und zu hängen so gut wie möglich einzudämmen.
    Will steht total auf edle Dessous, die Sorte, die zweifelsohne die oberste Schublade von Nerissas geschmackvoller Kommode füllt. Ich weiß das, weil er mir einmal, in unserem zweiten College-Jahr, einen Body gekauft hat. Damals waren wir offiziell seit ein paar Monaten zusammen und wussten, dass wir bald Sex haben würden. Der Body bestand aus champagnerfarbenem Satin mit Spitzenbesatz, war von Christian Dior – und zwei Größen zu klein. Ich wusste nicht, ob das nun ein Kompliment oder ein Wink mit dem Zaunpfahl sein sollte.
    Immer, wenn ich ihn anzog, trug ich darunter meine normale Wäsche. Den BH brauchte ich, weil es bei meiner Figur obszön wäre, keinen zu tragen. Die Unterhosen hatte ich an, weil die Druckknöpfe des Bodys bei jeder Bewegung aufsprangen, entweder weil ich zu groß oder zu breit dafür war. Wahrscheinlich beides. Schließlich ersetzte ich die Druckknöpfe durch Haken und Ösen. Ich hatte an der Brookside School nähen gelernt, aber mir damals nie träumen lassen, dass ich diese Fähigkeit zu etwas so Illustrem benutzen würde, wie den Zwickelverschluss eines sexy Dessous zu verändern, das mir ein Mann geschenkt hatte, mit dem ich vor der Ehe Sex haben würde.
    Auf jeden Fall konnte ich nie feststellen, ob Will mein Anblick im zwickelkorrigierten Body mit den breiten BH-Trägern darunter und den warmen, festen Unterhosen, die unter dem
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