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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille
Autoren: Petra Durst-Benning
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noch etwas: Woher kennt sie eigentlich meinen Mädchennamen? Ich kann mich nicht erinnern, dass in einem der Berichte über die Kunstschule der Name Fahrner gefallen ist.«
    Julie hatte nach ihrer Scheidung vor einem Jahr zwar kurz mit dem Gedanken gespielt, ihren alten Namen wieder anzunehmen, war dann aber doch bei Rilling geblieben. Während sie jetzt in ihrer Handtasche nach einer Kopfschmerztablette kramte, fiel es ihr plötzlich ein. Der Reporter der Schwarzwälder Rundschau hatte sie gefragt, ob es in ihrer Familie noch weitere kreative Menschen gab, woraufhin sie ihm erzählt hatte, dass sieaus einer alten Furtwangener Uhrmacherfamilie stammte. Und dass ihr älterer Bruder heute die Fahrnersche Uhrmacherwerkstatt betrieb …
    Tatsächlich war es dieser Zeitungsbericht gewesen, der Antonia Fahrners Interesse geweckt hatte, bestätigte Jan Bogner. Er zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Hemdentasche und fragte, ob er rauchen dürfe.
    Julie nickte ungeduldig. Kopfweh hatte sie ohnehin schon – was machte da noch ein bisschen Zigarettenqualm aus?
    Zwischen zwei Zigarettenzügen fuhr Bogner fort: »Dass sich unbekannte Verwandte oder als verschollen geltende Familienmitglieder eines Tages bei ihren Angehörigen melden, ist gar nicht so ungewöhnlich. Ich selbst habe schon dutzende solcher Fälle bearbeitet. Oftmals sind es die so genannten ›schwarzen Schafe‹, die nach einem Bruch mit der Familie in die Welt gezogen sind und im Alter plötzlich entdecken, dass Blut doch dicker ist als Wasser. Hin und wieder ist es sogar der sprichwörtliche reiche Onkel in Amerika, der seinen deutschen Wurzeln nachspüren möchte – was für die betreffenden Personen durchaus angenehme Folgen haben kann«, fügte er grinsend hinzu.
    Â»Blut ist dicker als Wasser – so ein Blödsinn! Wenn man die so genannten Verwandten noch nie im Leben gesehen hat …« Unwirsch strich Julie ihre dunkelbraunen Haare nach hinten.
    Der Privatdetektiv musterte sie interessiert. »Ehrlich gesagt wundert mich Ihr Mangel an Neugier. Reizt es Sie denn gar nicht, mehr über Frau Fahrner und ihr Anliegen zu erfahren? Der Anwalt sagte, sie sei eine sehr liebenswerte und ungewöhnliche Dame. Mögen Sie denn gar keine Überraschungen?«
    Â»Mein Bedarf an Überraschungen wird täglich aufs Neue gedeckt, glauben Sie mir! Sie sehen ja, was hier los ist …« Julie wies ringsum auf die Tische in der Cafeteria, die nun, nachdem die meisten Kurse geendet hatten, bis auf den letzten Platz besetzt waren.
    Â»Unter der Woche bin ich von morgens neun bis abends zehn hier. Im Augenblick habe ich nicht mal Zeit, mir eine neueHerbstgarderobe zu kaufen oder zum Frisör zu gehen. Ich bin froh, wenn ich mal an einem Wochenende keinen Papierkram erledigen muss und mich ausruhen kann«, fügte sie hinzu und ärgerte sich im selben Moment. Warum hatte sie überhaupt das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen?
    Um zu signalisieren, dass sie das Gespräch beenden wollte, schob sie ihr leeres Glas und die Colaflasche von sich. »Sie sehen also, selbst wenn Frau Fahrner der Liebreiz in Person ist, habe ich einfach keine Zeit für einen solchen Höflichkeitsbesuch. Und davon abgesehen … ich wüsste wirklich nicht, was wir uns zu sagen hätten.«

    Es war ein sonniger Spätsommernachmittag. Die Nacht zuvor war ziemlich kühl gewesen. An vereinzelten Spinnweben, wo die Sonne nicht hinkam, hingen noch Tautropfen. »Feen-Häkelei«, so hatte Antonia die glitzernden Gebilde in ihrer Kindheit genannt. Am liebsten wäre sie hinaus in den Garten gegangen, um ihre Finger an den silbernen Fäden zu benetzen, aber das war wohl doch ein wenig kindisch.
    Zum wiederholten Male rückte sie die zwei Kaffeetassen und Teller zurecht. Ihr Blick fiel auf die Thermoskanne. Vielleicht hätte sie den Kaffee doch frisch aufbrühen sollen? Zu spät. Antonia ging in die Küche, um ein Messer für den Marmorkuchen zu holen, den sie zur Feier des Tages gebacken hatte.
    Es war halb zwei. Julie Rilling hatte sich für zwei Uhr angemeldet. Und um drei würde das Taxi kommen, das Antonia bestellt hatte. Die Sonne schien und es sah so aus, als ob sich das gute Wetter halten würde. Alles war demnach bestens vorbereitet.
    Trotzdem wurde Antonia immer wieder von Zweifeln überfallen. Was wäre, wenn Julie sich
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