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Anschlag auf die Achterbahn

Anschlag auf die Achterbahn

Titel: Anschlag auf die Achterbahn
Autoren: Stefan Wolf
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hatte mittlerweile
seine alte Gesichtsfarbe zurückgewonnen. Seine Gier nach Süßem war eben doch
größer als sein Ehrgefühl. So hatte er das Gefühl von Peinlichkeit recht bald
überwunden, als er erkannte, welch ungeahnte Chancen sich ihm eröffneten. Er
saß genau vor dem Platz, an dem sich jetzt Stefan befand! Unauffällig versuchte
er, mit dem Stuhl nach hinten zu kippeln. Ohne sich umzudrehen, zischte er
leise: »Stefan! Gibt’s in eurer Naschbude auch Früchte mit Schokoladenüberzug?«

    »Na klar doch. Massenweise!«,
kam es ebenso leise zurück.
    Klößchen verdrehte genüsslich
die Augen: Das Schlaraffenland war in greifbare Nähe gerückt! So nahe, dass er
gar nicht bemerkte, dass Frau Klamm ihn mit stechenden Blicken anstarrte.
    »Können wir jetzt endlich
anfangen?«, bellte sie in seine Richtung. Vor Schreck hätte er beinahe den Halt
auf seinem gekippten Stuhl verloren. Zwar konnte er sich gerade noch fangen,
aber es entfuhr ihm ein Geräusch, welches ihm zum wiederholten Male das
Gelächter seiner Schulkameraden einhandelte und auch wieder die Saunaröte in
sein Gesicht zauberte.
    »Äh... ja..., natürlich, Frau
Kramm«, antwortete Stefan an Klößchens Stelle.
    »Klamm!«, korrigierte die
sichtlich genervte Lehrerin. »Schlagt jetzt bitte eure Bücher auf! Auf welcher
Seite waren wir vor den Ferien stehen geblieben, Gaby?«
    »Äh, Moment... Seite 78«, antwortete
Gaby.
    »Dann lies bitte jetzt ab da
vor!«, forderte ihre Klassenlehrerin gereizt.
    Gaby holte tief Luft:
    »Was seh’ ich? Welch ein
himmlisch Bild
    Zeigt sich in diesem
Zauberspiegel!
    O Liebe, leihe mir den
schnellsten deiner Flügel,
    und führe mich in ihr
Gefild!...«
    Zum Glück machte Gaby ihre
Sache recht gut. Dadurch konnte Klößchen unbemerkt einen Kassenbon aus seinem
Portemonnaie ziehen. Er kritzelte hastig etwas auf den Zettel, den er
anschließend zusammenfaltete. Dann rutschte er unbemerkt mit dem Stuhl nach
hinten und hielt Stefan den Papierfetzen hin. Der neue Mitschüler nahm den
Zettel entgegen, entfaltete ihn und musste schmunzeln. Auf dem Zettel stand:
»Stefan, wir müssen unbedingt in der Pause miteinander sprechen. Ich glaube,
wir kommen beide ins Geschäft!«
     
    Der Umstand, dass Frau Klamm
dazu überging, die Schüler mit verteilten Rollen aus Goethes »Faust« vorlesen
zu lassen, machte die Deutschstunde nicht wesentlich spannender. Es schienen
Ewigkeiten zu vergehen, bis endlich der Gong die große Pause einläutete. Der
Schulhof füllte sich rasch mit Jugendlichen, die wild durcheinander schwatzten.
Stefan wurde sofort von einigen seiner neuen Schulkameraden umringt. Sie waren
neugierig darauf, wie es sich so als Sohn einer Schaustellerfamilie lebt. Besonders
Klößchen zeigte ein auffallendes Interesse, allerdings weniger an Stefans
Lebensumständen als an der Möglichkeit, über ihn an das allseits bekannte
Objekt seiner Begierde zu gelangen.
    »Also, was die Schokofrüchte in
eurem Zuckertempel anbelangt, Stefan...«
    »Ach, Klößchen«, stöhnte Gaby.
»Es gibt doch auch noch andere Dinge im Leben als immer nur Essen, Essen,
Essen!«
    »Lass gut sein, Gaby«, meldete
sich Stefan zu Wort. »Ich hab’s ja vorhin schon angedeutet: Ich bin auch
ständig dabei, alles Essbare, was nur annähernd in meine Nähe gerät, in mich
hineinzustopfen. Aber ich kann machen, was ich will! Mehr als fünfzig Kilo
bring ich nicht auf die Waage. Und das ist schon verdammt wenig für mein Alter
und meine Größe.«
    »Das ist echt zu wenig!«, ließ
auch Tim wissen. Wenn es um vernünftige Ernährung ging, war man bei der
Sportskanone an der richtigen Adresse.
    »Klar!«, ergänzte Stefan.
»Letztens war ich mit meinem Vater schwimmen. Als er mich in der Badehose sah,
meinte er, dass man mich glatt mit einer Blockflöte verwechseln könnte, wenn
ich noch einen zweiten Bauchnabel hätte.«
    Alle mussten bei der
Vorstellung einer Blockflöte in Badehose unwillkürlich lachen. Nur Klößchen
versuchte, das Gespräch wieder in die von ihm gewünschte Bahn zu lenken.
    »Aber ich würde trotzdem gerne
deine Connection nutzen: Ist es vielleicht möglich, bei eurer Zuckerbude einen
Mengenrabatt auszuhandeln?«
    Stefan musste grinsen. Er zog
einen Umschlag aus seiner Jackentasche und entnahm diesem etliche Tickets: »Na
klar, Klößchen. Hier habe ich einen ganzen Batzen Freikarten für die
Fahrgeschäfte meines Vaters und natürlich...« Nun schaute er verschwörerisch zu
Klößchen, »...auch Rabattcoupons für den Fress-
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