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Anruf aus Nizza

Anruf aus Nizza

Titel: Anruf aus Nizza
Autoren: Alexander Borell
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mitgebracht hatte, nahm er die Flasche Rotwein und schenkte sein Glas nochmals voll. Mit der Flasche in der Hand ging er zu Irene.
    Sie hockte mit angezogenen Beinen auf seiner Couch und hielt rasch ihre Hand über das noch halb volle Glas.
    »Nichts mehr, Paul. Du willst also in vierzehn Tagen abreisen?«
    Sein langes, mageres Gesicht mit der etwas zu großen Nase drückte Ungeduld aus.
    »Ja, in vierzehn Tagen. Du hättest doch Zeit genug gehabt, dich damit abzufinden. Ich habe dir weiß Gott oft genug und ausführlich erklärt, warum ich dich nicht mitnehmen kann.«
    Irene schwang ihre langen, überschlanken Beine von der Couch und stand auf. Sie war vierundzwanzig. Fünf Jahre jünger als Paul, und einen Kopf kleiner.
    »Paul, wir haben volle vierzehn Tage Zeit zum Heiraten.«
    Er deutete auf ihr Glas. »Trink was, das macht den Kopf wieder klar. Hier, auf dieser Couch, haben wir beide nebeneinander gesessen und den Vertrag studiert, den ich in deiner Gegenwart unterschrieben habe. Und da steht drin, daß ich unverheiratet bin. Sie geben nur Ledigen diese Chance. Also sei nun endlich mal vernünftig.«
    »Das war aber vor mehr als drei Monaten, Paul.«
    Er trank sein Glas auf einen Zug aus. »Na und? Hat sich vielleicht inzwischen was geändert?«
    »Ja. Ich bekomme ein Kind.«
    Zu jeder anderen Zeit hätte er Irene als Antwort in die Arme genommen. So aber empfand er ihren nüchternen Satz wie einen plötzlich vorgezeigten Schuldschein,. Sie war unter allen Umständen bereit, das spürte er, jetzt diese Schuld einzutreiben.
    Er sagte matt: »Kannst du dich nicht irren?«
    Zum ersten Mal, seit er sie kannte, verlor sie ihre Sanftmut. Hart fuhr sie ihn an: »Nein! Und jetzt weißt du hoffentlich, warum du mich nicht verlassen darfst.«
    Er rannte mit langen Schritten hin und her.
    »Verlassen! Mach doch kein solches Theater, du weißt genau, daß ich dich nicht verlasse.«
    »Kapierst du denn nicht, daß eine Frau in diesem Zustand den geliebten Mann um sich haben will? Daß sie ihn braucht?«
    »Begreife ich. Gut. Andererseits weißt du, daß es um die einzige große Chance meines Lebens geht. Unseres Lebens. Und um das unseres Kindes. Hab doch diese zwei Jahre Geduld, in zwei Jahren ist der Vertrag abgelaufen, ich komme zurück, habe ein Kapital, wie ich es mir hier niemals erwerben könnte, und dann heiraten wir. Komm, sei lieb.«
    Er wollte sie an sich ziehen, aber sie stieß ihn weg.
    »Zwei Jahre! Ich bin doch nicht verrückt. Die erste Rate wirst du schicken, die zweite und dritte vielleicht auch noch, und dann wird plötzlich eine andere Frau das Geld viel nötiger brauchen als ich.«
    Versöhnlich legte er seinen Arm um ihre Schultern. Sie entwand sich seinem Arm, raffte Handtasche und Mantel zusammen.
    Die Tür fiel knallend ins Schloß.
    Blind für alles, was um sie her geschah, rannte sie auf die Straße, direkt vor ein Auto, hinter dessen Lenkrad eine Frau saß, eine Frau mit schreckgeweiteten Augen...

    Der Tankwart tauchte sein schmutziges Fensterleder in einen Eimer mit noch schmutzigerem Wasser. Als er damit die Scheibe abwischen wollte, hielt ihm die Dame drei Zehnmarkscheine aus dem offenen Seitenfenster entgegen.
    »Der Rest ist für Sie. Danke, lassen Sie die Scheibe, ich bin sehr eilig.«
    Kopfschüttelnd schaute der Tankwart dem Wagen nach, wie er auf die Straße schoß, mitten in den Verkehrsstrom hinein.
    Wie schnell sich alles ändern kann, dachte Monika. Vorhin noch dachte ich, alles verantworten zu können. Nichts kann ich verantworten. Keine verheiratete Frau kann es verantworten, mit einem anderen Mann ins Bett zu gehen.
    Erst recht nicht, wenn sie ihren Mann liebt. .. ich liebe Robert... mein Gott, was habe ich getan! — Rotlicht... bremsen... wie lange das dauert. Grün. Ich könnte jetzt noch abbiegen, ich könnte noch direkt nach Ried fahren und Robert alles sagen.
    Im letzten Augenblick sah sie das junge Mädchen, das aus einem Haus direkt in ihre Fahrbahn lief. Die Reifen jaulten auf, der Wagen schleuderte, sie sah das Mädchen nicht mehr...
    Eine Sekunde lang saß sie wie gelähmt hinter dem Steuer. Jetzt habe ich auch noch einen Menschen überfahren...
    Plötzlich waren Leute da, wie aus dem Erdboden gewachsen. Ein Mann beugte sich zum Wagenfenster herunter und deutete nach vorn.
    »Ich bin Zeuge, junge Frau. Die ist Ihnen ja direkt hineingelaufen.«
    Monika schob den Mann mit ihrer Wagentür zur Seite und stieg aus. Ihre Gedanken waren jetzt wieder klar, sachlich. Man darf
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