Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anne in Avonlea

Anne in Avonlea

Titel: Anne in Avonlea
Autoren: Lucy Maud Montgomery
Vom Netzwerk:
ist.«
    »Mein Zaun ist in Ordnung«, fauchte Mr Harrison und wurde noch wütender, als er ohnehin schon war, da der Kriegsschauplatz auf sein Gebiet verlegt wurde. »Selbst ein Gefängniszaun könnte diesen Teufel von einer Kuh nicht aufhalten. Und das sage ich Ihnen, Sie ... Sie Karotte, wenn diese Kuh, wie Sie behaupten, Ihnen gehört, dann sollten Sie sich besser damit beschäftigen, die Kuh von anderer Leute Kornfeldern fern zu halten, statt herumzusitzen und gelb eingebundene Romane zu lesen«, sagte er mit einem scharfen Blick auf den unschuldig gelbfarbenen Vergil zu Annes Füßen.
    Als Mr Harrison sie >Karotte< nannte und damit unwissentlich Annes empfindlichsten Punkt - ihre roten Haare - traf, sah Anne rot: »Lieber rote Haare als gar keine, mal abgesehen von den paar Strähnen über den Ohren«, funkelte sie ihn an.
    Das saß, denn Mr Harrison war seinerseits ausgesprochen empfindlich, was seine Glatze betraf. Sein Zorn ließ ihn erneut verstummen. Er starrte Anne nur sprachlos an, die wieder die Fassung gewann und ihren Vorteil nutzte.
    »Ich kann Ihnen verzeihen, Mr Harrison, weil ich mir gut vorstellen kann, wie schlimm es für Sie sein muss, in Ihrem Haferfeld eine Kuh zu entdecken. Ich werde keinen weiteren Groll gegen Sie hegen wegen dem, was Sie gesagt haben. Ich verspreche Ihnen, dass Dolly nie wieder in Ihr Haferfeld einbrechen wird. Da gebe ich Ihnen mein Ehrenwort.«
    »Wehe, wenn doch!«, war alles, was Mr Harrison angesichts dieser Rede noch zu sagen blieb. Zornig stampfte er davon. Anne hörte, wie er etwas vor sich hin brummte, bis er außer Hörweite war.
    Furchtbar aufgeregt ging Anne über den Hof und sperrte die störrische Kuh in den Stall.
    »Hier dürfte sie wohl kaum herauskommen, es sei denn, sie reißt die Bretter um«, überlegte sie. »Sie ist plötzlich so friedlich. Ich glaube, sie hat sich auf dem Haferfeld krank gefressen. Hätte ich sie nur letzte Woche an Mr Shearer verkauft, aber ich dachte, ich könnte ebenso gut bis zum Verkauf unseres Viehs warten und dann alle Tiere zusammen verkaufen. Ich glaube, es stimmt, Mr Harrison ist ein Kauz. Eine verwandte Seele jedenfalls ist er nicht.«
    Anne hielt stets Ausschau nach verwandten Seelen.
    Marilla Cuthbert fuhr gerade in den Hof, als Anne vom Stall zurückkam. Sie machte schnell Tee und besprach die Angelegenheit mit Marilla.
    »Ich bin froh, wenn das Vieh endlich verkauft ist«, sagte Marilla. »Es bedeutet einfach zu viel Verantwortung. Vor allem, da wir nur den unzuverlässigen Martin haben, der sich darum kümmert. Wo steckt er überhaupt? Er hatte doch versprochen, er würde ganz bestimmt bis gestern Abend wieder da sein, wenn ich ihm den Tag frei gäbe, damit er zur Beerdigung seiner Tante gehen könnte. Weiß der Himmel, wie viele Tanten er hat. Das ist die vierte, die gestorben ist, seit er sich vor einem Jahr hier bei uns verdungen hat. Ich bin heilfroh, wenn die Ernte erst eingebracht ist und Mr Barry die Farm übernimmt. Wir müssen Dolly im Stall lassen, bis Martin kommt, denn sie muss auf die hintere Weide gebracht werden und da müssen erst die Zäune repariert werden. Wirklich, nichts als Ärger auf dieser Welt, wie Rachel immer sagt. Da muss diese arme Mary Keith sterben - und keine Ahnung, was jetzt aus ihren Kindern werden soll. Sie hat einen Bruder in British Columbia, dem sie wegen der Kinder geschrieben hat, aber bis jetzt hat sie noch nichts von ihm gehört.«
    »Wie sehen die Kinder aus? Wie alt sind sie?«
    »Über sechs - es sind Zwillinge.«
    »Oh, Zwillinge haben mich schon immer interessiert, seit ich bei Mrs Hammond wohnte, die doch diese vielen Zwillinge hatte«, sagte Anne gespannt. »Sind sie hübsch?«
    »Oje, schwer zu sagen, sie waren zu dreckig. Davy hatte draußen Matschkuchen gebacken und Dora sollte ihn hereinrufen. Davy hat sie mit dem Kopf voran in den größten Matschkuchen gestupst. Weil sie dann geweint hat, hat er sich auch darin herumgewälzt, um ihr zu zeigen, dass sie überhaupt keinen Grund zum Heulen hätte. Mary sagt, Dora wäre wirklich brav, aber Davy würde dauernd etwas aushecken. Er wurde eben nie richtig erzogen. Sein Vater starb, als Davy noch ein Baby war, und Mary war seit der Zeit fast ständig krank.«
    »Mir tun Kinder, die nie richtig erzogen werden, immer Leid«, sagte Anne trocken. »Wie du weißt, erging es mir genauso, bis ich zu euch kam. Hoffentlich kümmert sich ihr Onkel um sie. Wie sind die Keiths eigentlich mit dir verwandt?«
    »Mary? Gar nicht. Aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher