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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
Autoren: Rina Bachmann
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Dann fuhr sie sich mit der heilen Hand durchs Haar, ließ die widerspenstigen Strähnen hinters Ohr gleiten, setzte eine unschuldige Miene auf und marschierte ins Wohnzimmer.
    Ein geräumiger, achteckiger Raum mit hohen Decken, in dem beinah alles aus hellem Ahorn gestaltet war, präsentierte sich in penibler Ordnung, ganz so, wie Alphira es stets haben wollte: die unzähligen Bücherregale, die bis zur Decke reichten und sich unter den Reihen dicker Einbände bogen, der runde Tisch mit schweren, unter die dicke Tischplatte geschobenen Stühlen, die Anrichte mit Dutzenden Schubladen unter dem großen Bogenfenster und das helle Stäbchenparkett bedeckt mit ausgetretenen, vor längerer Zeit bunt gewesenen Orientteppichen aus reiner Seide.
    Die Großmagierin thronte auf ihrem Lieblingssessel, ihr weißer Kopf leicht an die hinter ihr aufgetürmten Kissen gelehnt, die warme Stola fest um sich gewickelt. Sie sah müde aus. Ihr Gesicht mit gerader Nase, hohen Wangenknochen und leicht hervorstehendem Kinn schien Anna noch fahler als am vorigen Tag zu sein. Die Fältchen um die ehemals tiefblauen Augen zeichneten sich heute viel deutlicher ab. Alphira musterte sie schweigend vom Kopf bis Fuß, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, die Miene verfinsterte sich von Sekunde zu Sekunde.
    „Du warst wieder im Toten Wald“, stellte sie schließlich fest und verzog die schmalen, bläulich angelaufenen Lippen. Dutzende von kleinen Fältchen sprossen von ihren Mundwinkeln herunter zum schlaffen Hals.
    Wie gut Anna diesen Ausdruck kannte! Sie schritt auf die Großmagierin zu, kniete sich vor ihr hin, sah in die blassen Augen, als wenn sie dort nach einem Quäntchen Verständnis suchte, und sagte leise: „Ich musste mir ein Bild machen, wie weit der Verfall in den letzten Tagen fortgeschritten ist. Die Sicht war heute besser. Es war etwas weniger Nebel als sonst.“ Die junge Frau atmete tief aus, ihr verzweifelter Blick senkte sich zu Boden. Sie hob ihn wieder und setzte traurig hinzu: „Es ist noch schlimmer geworden, als ich es angenommen hatte.“
    Alphira schloss die Augen und nickte kaum merklich.
    „Der Wald stirbt weiter“, fuhr die Jungmagierin verbittert fort. „Viel größere Flächen sind von der braunen Brühe verschlungen worden. Und es stinkt! Ich habe dort kaum Luft bekommen.“
    „Der Wald ist bereits gestorben“, sagte Alphira leise und öffnete wieder die Augen. Sie waren trüb, wie von einem milchigen Schleier überzogen. Die ältere Frau schüttelte leicht den Kopf. Ihr Blick bohrte sich in die tiefe Schramme an Annas Hals. „Was hast du gemacht? Wer hat dich angegriffen?“
    „Die Echsen.“ Sie bemühte sich um einen neutralen Tonfall, konnte aber einen tiefen Seufzer nicht unterdrücken. „Die Viecher fühlen sich im Wald wie zu Hause. Sie springen einen förmlich an“, fügte sie verzweifelt hinzu. „Eine hat mich beinah an der Hand erwischt. Als ich zurücksprang, baute sie sich vor mir auf.“
    „Und du musstest deine knappen Kräfte auf einen Heimkehrspruch verschwenden, um nach Hause zu kommen.“ Alphira gab sich keine Mühe, ihre Verärgerung zu unterdrücken.
    Anna tat, als hätte sie es nicht gehört. „Ich fasse es nicht. Bald kann man keinen Fuß mehr in den Wald setzen. Man wird ja von diesen Bestien angefallen, als wenn es sich so gehört! Wo kommen sie bloß alle her? Und warum?“
    „Du konntest noch nie gut lügen.“ Die Großmagierin sah ihre Novizin ernst an. „Du gehst nicht mehr in den Wald. Ich habe es dir schon mal gesagt, du solltest es lassen, bevor es böse endet. Das ist nichts für kleine Mädchen.“ Ihre Stimme klang fester, der Blick wurde klarer. „Diese Aufgabe ist ein paar Nummern zu groß für dich.“
    „Ich bin aber kein kleines Mädchen.“ Anna warf ihr einen trotzigen Blick zu. „Schon lange nicht mehr!“, fuhr sie lauter fort. „Wenn ich nur wüsste, warum es alles so geworden ist, wer das macht und wieso!“, schrie sie beinah.
    „Ich habe dir schon mal gesagt, du sollst es lassen! Nimm die Situation, wie sie ist“, unterbrach sie Alphira schroff.
    „Oma, das ist aber nicht normal! Das kann doch so nicht weitergehen! Da war wieder eine ganze Gruppe von Rehen massakriert! Ich weiß nicht, was das alles soll! Wo sind all die Oberweltler abgeblieben? Warum muss das so sein? Ich kann nicht einfach zusehen, wie alles vor die Hunde geht! Es kann nicht sein, dass es nichts gibt, was wir dagegen tun könnten!“
    Die Großmagierin blickte stumpf an ihr
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