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Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen

Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen

Titel: Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
Autoren: Jeanne C. Stein
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traurig und missbilligend.
    Natürlich habe ich das nicht geglaubt, würde ich am liebsten barsch erwidern. Aber ein Teil von mir weiß, dass das gelogen wäre. Ich hatte gehofft, dass es ihre Situation wenigstens für einen Tag verändern würde. Dass sie das Geld nehmen und einen Einkaufsbummel machen oder ins Kino gehen oder sonst etwas unternehmen würde, was ein normales sechzehnjähriges Mädchen an einem Sonntagnachmittag so tut.
    Doch ein Haufen amerikanischer Teenager, alle um die siebzehn, drängen zur Tür herein und deuten mit gierigem Grinsen auf die Kleine dort oben. Mein letzter Blick zurück zeigt mir, dass sie das Grinsen erwidert.
    Culebra entschuldigt sich schon wieder.
    Wir sitzen an einem Tisch im Café gegenüber der Bar. Ich bekomme dieses letzte Bild von dem Mädchen nicht mehr aus dem Kopf.
    Sie kennt nichts anderes, Anna. Sie lebt in einem Haus, einem richtigen Haus, und kann Essen für ihre Familie kaufen. Sie hat die Chance, zur Schule zu gehen…
    Herrgott. Diese Behauptung würdige ich nicht einmal mit einem Schnauben . Red keinen Mist, Culebra. Die geht nie und nimmer zur Schule.
    Ich streife meine Jacke ab und sehe mich in dem Café um. Es ist zwar viel sauberer und heller als die Bar, bessert meine Laune aber trotzdem nicht. Ich lümmele mich auf die Sitzbank. Ich finde es grässlich hier. Warum sind wir nicht in Beso de la Muerte?«
    Culebras Gesicht nimmt einen Ausdruck an, der an ihm seltsam wirkt. Aufgeregt. Geheimnistuerisch.
    »Was ist los?«
    Er beugt sich über den Tisch zu mir vor. »Ich werde eine Weile weg sein.«
    »Weg? Wohin denn?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Nicht jetzt.«
    »Was hast du denn vor?«
    »Das kann ich dir auch nicht sagen.«
    Er klingt beinahe hämisch. Ein merkwürdiges Verhalten für einen Gestaltwandler, dessen Gefühlsäußerungen normalerweise die Spanne von gedämpft bis zurückhaltend umfassen. Also wiederhole ich nachdrücklicher: »Was ist los?«
    Er zappelt ein wenig herum, weicht meinem Blick aus und sendet einen Schwall von Ungeduld aus. »Ich muss einfach mal eine Weile weg. Ich wollte es dir persönlich sagen.«
    »Warum dann nicht am Telefon oder in Beso? Warum schleppst du mich in dieses Loch? Da muss doch mehr dran sein.«
    Er faltet die Hände auf dem Tisch und beugt sich wieder zu mir vor. »Sandra wird die Bar für mich führen.«
    »Sandra?« Ich fahre aufrecht hoch. »Sie ist wieder da?«
    Zuletzt habe ich Sandra vor vier Monaten gesehen, nachdem sie den Kampf gegen Avery gewonnen hatte. Avery, meinen Avery, gegen den ich ebenfalls gekämpft hatte. Ich habe ihn mit einem Pflock getötet, nur um dann festzustellen, dass er doch nicht gestorben war. Er hat sehr mächtige schwarze Magie benutzt, um Sandras Körper und Willen zu besetzen. In einem Kampf, der Sandra beinahe das Leben gekostet hätte, ist ihr gelungen, was ich nicht geschafft habe. Sie hat Avery zur Hölle geschickt, und diesmal endgültig.
    »Sie hat mir gesagt, dass sie nie zurückkommen würde.«
    »Sie ist gekommen, weil ich sie darum gebeten habe.«
    »Warum?«
    »Ich brauche jemanden, der auf die Bar aufpasst.«
    Mein Magen zieht sich zu einer Rolle Stacheldraht zusammen. Ich bin entsetzlich genervt. Das ist ja, als würde man sich mit einem Dreijährigen unterhalten. »Sandra hat mein Angebot abgelehnt, Averys Erbe anzutreten. Sie hat gesagt, sie wolle in ihrer eigenen Heimat leben, unter ihresgleichen. Bei ihrem Rudel. Und jetzt spielt sie auf einmal die Barkeeperin? Dafür ist dir niemand anderes eingefallen? Was ist mit deinen ganzen menschlichen Angestellten? Was ist mit mir?« Das klingt wie ein trotziges Quengeln.
    Culebra ist in meinem Kopf. Das ist mir egal. Ich will ihn sogar da haben. Er soll ruhig wissen, dass ich mehr als nur ein bisschen verärgert bin, weil er offenbar nicht geglaubt hat, ich würde ihm diesen Gefallen tun. Stattdessen hat er eine Fremde um Hilfe gebeten.
    Es tut mir leid, Anna. Du musst dich um dein eigenes Geschäft kümmern. Ich dachte nicht, dass du die Zeit hättest…
    Wie lange wirst du denn weg sein?
    Ich weiß es nicht genau. Vielleicht zwei Wochen.
    Ich rutsche zum Ende der Bank. »Dann viel Spaß.«
    »Anna, warte.« Er streckt die Hand aus, um mich aufzuhalten.
    »Warum? Wirst du mir jetzt endlich verraten, warum du mich wirklich in dieses Dreckloch gelockt hast?«
    »Das habe ich dir schon gesagt.«
    »Nein, hast du nicht. Du hast mir absolut nichts erzählt, was du mir nicht auch am Telefon hättest sagen
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