Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
Herzens mit seinen grässlichen Augen.« Sie schüttelte sich. Magie und Zauberei jagten ihr heftige Angst ein.
    Albuin sah sie mit einem schwachen Lächeln an. »Du bist wirklich seltsam, Ida. Du würdest einen angreifenden Stier mit bloßen Händen aufhalten, ohne nur einen Gedanken daran zu verschwenden, deswegen Angst zu verspüren. Aber wenn jemand einen einfachen Wasserzauber macht, fällst du vor Schreck beinahe in Ohnmacht.« Er vollführte eine schnelle Geste mit seinen dünnen Fingern. Eine winzige Wolke erschien über dem Kopf seiner Schwester und ließ einen Schauer von staubkorngroßen Regentropfen auf ihren scheckigen Scheitel niederfallen. Sie schrie auf und sprang von der Mauer. Albuin zog ein schuldbewusstes Gesicht und winkte wieder. Das Wölkchen zerplatzte in einen feuchten Nebel und verschwand, einen winzigen Regenbogen hinterlassend.
    »Komm schon, Ida. Es tut mir leid, wirklich. Ich wollte dich nicht ärgern.« Er hielt dem am Boden hockenden Mädchen die Hand hin. Sie ergriff sie zögernd, um sich von ihm wieder auf die Mauer ziehen zu lassen.
    »Du bist ein Ekel, Albi.« Sie nahm einen der übrig gebliebenen Äpfel und grub wütend ihre Zähne hinein. Albuin sah sie scheinbar zerknirscht unter niedergeschlagenen Lidern her an, aber seine hellen Augen funkelten boshaft dabei. Beide schwiegen eine Weile, bis die Verstimmung zwischen ihnen verflogen war wie der magische Regenschauer.
    »Du würdest sicher einen viel besseren Lord abgeben als ich«, bemerkte Albuin. »Du hast Spaß an all dem; daran, Leute herumzukommandieren und mit dem Schwert zu fuchteln und so was alles. Was meinst du, wollen wir Vater nicht fragen, ob er dich als Erbin einsetzt?« Sein Ton erschien spaßhaft, aber die Bitterkeit darunter war nur schlecht verborgen.
    Ida grinste und stieß ihm mit ihrem spitzen Ellbogen in die Seite. »Großartige Idee, Albi. Du gehst und sagst es ihm, und ich helfe dir hinterher, deine Knochen wieder in der richtigen Reihenfolge zusammenzusetzen.« Beide kicherten. Albuin legte einen Arm um Idas Hüfte und lehnte sich an sie.
    »Schade, dass das nicht geht«, murmelte er.

    Brütende Hitze lag über dem Flussufer. Über dem sich träge kräuselnden Wasser tanzten silbrige Schwärme von Mücken, und winzige Wasserläufer huschten im Zickzack über die Oberfläche hinweg. Das leise Glucksen des langsam fließenden Gewässers und das gelegentliche läutende Rufen einer Rohrstelze waren die einzigen Laute, die die Stille durchbrachen. Im Schatten der alten Silberweide, deren Zweige tief über das Flussufer hingen, lagen die Geschwister im tiefen Gras und dösten vor sich hin. Amali hatte ihren Rock geschürzt und ließ die Füße in das lauwarme Wasser baumeln. Ida lag auf dem Bauch, kaute auf einem Grashalm und blinzelte zu einer langsam an ihnen vorübertreibenden Schilfinsel hinüber, auf der sich eine friedliche Schar von gelbbrüstigen Flusstauben sonnte.
    Albuin hatte in seinem Buch gelesen, das ihm nun auf die Brust gesunken war. Er hatte den Mund leicht geöffnet und schlief fest, das von der Sonne gebleichte Haar hing ihm wirr und feucht in die Stirn.
    »Sag schon, Mali.« Ida drehte sich träge auf die Seite und spuckte den zerkauten Grashalm aus. »Was gibt es Neues von deinem Zukünftigen? Hat er dir nicht endlich mal wieder ein Geschenk vorbeigeschickt?«
    Amali gluckste und wurde rot. Seit zwei Monaten war sie Eiliko, dem ältesten Sohn des Lords von Dikar-En versprochen, und ihre Schwester zog sie gerne damit auf, dass der junge Mann sie schüchtern und formvollendet umwarb.
    »Heute früh kam ein Bote hiermit.« Mit verschämtem Stolz zog Amali ein goldenes Band aus ihrem Mieder und ließ es vor Idas Nase baumeln. Die Jüngere griff danach und begutachtete es eingehend.
    »Hübsch«, gab sie neidlos zu. Sie drehte sich wieder auf den Rücken und gähnte ungeniert. »Ich dachte, du bist in Simon verschossen«, murmelte sie undeutlich und streckte sich. Amali schwieg und steckte das Band, das sie sorgfältig aufgerollt hatte, wieder ein. »Na?« Ida ließ nicht locker.
    Amali zog eine Schnute. »Das geht dich eigentlich gar nichts an«, wies sie die Jüngere zurecht. Dann stützte sie das runde Kinn in die Hand und starrte auf den Fluss hinaus. »Vater wäre nie damit einverstanden, dass ich einen Mann heirate, der weder Land noch einen Titel besitzt.« Sie seufzte. »Eigentlich schade, ich finde ihn nämlich ganz süß ...«
    Ida betrachtete sie interessiert. »Er ist jedenfalls
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher